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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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genug.
    Conny merkte sogar selbst, wie dünn und wenig überzeugend ihr
Bericht an der einen oder anderen Stelle klang – ein Effekt, den sie kannte.
Vieles, was vor Ort nicht nur schlüssig und auf dramatische Weise überzeugend
erschien, verlor mit den knappen Worten eines Einsatzberichtes geschildert
nicht nur an Gewicht, sondern nur zu oft auch zumindest scheinbar an
Glaubwürdigkeit. Dieses Phänomen war jedem von ihnen bekannt, Eichholz
eingeschlossen. Aber diesmal war es schlimmer. Selbst Trausch zog ein paarmal
vielsagend die Augenbrauen zusammen; vor allem an der Stelle, an der sie zu
begründen versuchte, warum sie den Wagen überhaupt verlassen hatte.
    Ungefähr bei der Hälfte ihres Berichts ging die Tür auf, und ein
untersetzter, grauhaariger Mann um die sechzig trat ein. »Frau Feisst!«, sagte
er, während er auf einem freien Stuhl Platz nahm und den anderen kurz zunickte.
»Ich freue mich, dass Sie kommen konnten.« Conny blickte fragend, und Levèvre
lächelte noch breiter. »Wir bekommen hier nicht oft so berühmten Besuch.«
    Voller Unbehagen wurde sich Conny der Tatsache bewusst, dass Levèvre
sie unverhohlen ansah. Eigentlich starrte er sie an –
zumindest kam es ihr so vor –, und einmal ganz abgesehen davon, wie unhöflich
das war, hatte er eine ganz besonders unangenehme Art, es zu tun. Conny
korrigierte ihre erste Einschätzung von taxierend zu sezierend; als wären seine Blicke tatsächlich kleine
scharfe Skalpelle, die mühelos durch ihre Haut und ihr Fleisch schnitten und
bis in ihr intimstes Inneres vordrangen. Wahrscheinlich lag es an seinem Beruf,
dachte sie, und möglicherweise war es nicht einmal seine Schuld. Vielleicht
konnte er gar nicht mehr anders, als jeden Körper auf diese Art anzusehen; ein
Stück Fleisch, das sich manchmal bewegte, manchmal nicht.
    Sie wartete, bis Eichholz dem Professor eine Tasse Kaffee
eingeschenkt hatte, und führte ihren Bericht dann zu Ende. »Ich weiß nicht, was
dann passiert ist«, schloss sie. »Ich muss wohl das Bewusstsein verloren haben.
Ich weiß nur, dass ich nicht wirklich damit gerechnet habe, noch einmal
aufzuwachen.« Eichholz runzelte nun doch leicht verärgert die Stirn, und Conny
beeilte sich hinzuzufügen: »Wenn die Kollegen nicht rechtzeitig gekommen
wären.«
    Â»Das sind sie nicht.« Eichholz tauschte einen – wie sie fand –
seltsamen Blick mit Levèvre. »Ich hatte gehofft, von Ihnen etwas detailliertere
Auskünfte zu bekommen, aber so, wie es bisher aussieht, müssen sie mindestens
fünf Minuten bewusstlos dort gelegen haben, bevor Kommissar Trausch Sie
gefunden hat.«
    Conny konnte einen raschen, überraschten Blick nicht unterdrücken.
Trausch hatte ihr bisher nicht gesagt, dass er selbst es war, der sie gefunden
hatte. Sie versuchte, ihm eine lautlose Frage zu stellen (möglichst, ohne dass
Eichholz etwas davon bemerkte), aber er verstand sie entweder nicht oder zog es
vor, sie zu ignorieren.
    Â»Oh«, murmelte sie nur. »Dann habe ich wohl wirklich mehr Glück als
Verstand gehabt.«
    Eichholz hob die Hand. »Jetzt stellen Sie Ihr Licht nicht zu sehr
unter den Scheffel, Kollegin. Das war verdammt gute Arbeit. Und es hat nichts
mit Glück zu tun. Sie haben den Kerl erledigt.«
    Â»Ja, und er beinahe mich«, murmelte Conny. Sie bemerkte aus den
Augenwinkeln, wie Levèvre dazu ansetzte, etwas zu sagen, doch Eichholz brachte
ihn mit einer schnellen, beinahe erschrocken wirkenden Geste zum Schweigen. Ihr
ungutes Gefühl, das sich seit Levèvres Eintreten noch verstärkt hatte, machte
einen regelrechten Quantensprung.
    Â»Dieses digitale Foto«, fuhr Eichholz fort, »das Herrmann
ausgedruckt hat … sind Sie sicher? Ich meine: Sind Sie vollkommen sicher, dass er
diesen Ausdruck wirklich gemacht hat?«
    Â»Natürlich«, antwortete Conny. Worauf wollte er hinaus? Sie hatte
(eigentlich ohne selbst genau zu wissen, warum sie es tat, und sie beschlich
schon wieder das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben) nicht wirklich gesagt, was sie auf dem Monitor entdeckt zu haben
glaubte, sondern nur von einem Schatten gesprochen, der aus irgendeinem Grund
ihre und die Aufmerksamkeit der beiden Techniker erregt hatte. »Warum fragen
Sie?«
    Â»Weil wir kein solches Foto im Wagen gefunden haben«, antwortete
Eichholz.
    Â»Dann hat Aisler es wohl mitgenommen«,

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