Unheil
Apparat wieder zu und steckte ihn beinahe noch
umständlicher wieder ein.
»Probleme?«, fragte sie.
»Keine Probleme.« Trausch sah in den Rückspiegel und wechselte dann
ungewohnt wagemutig die Spur, was von einem neuerlichen, noch ärgerlicherem
Stakkato-Hupen des Wagens hinter ihnen kommentiert wurde. »Nur eine kleine
Planänderung. Eichholz erwartet uns in der Rechtsmedizin ⦠wenn es Ihnen nichts
ausmacht, heiÃt das.«
»Warum?«
»Keine Ahnung.« Er klang nicht sehr überzeugend, dafür aber schon
wieder fast verlegen. Konnte es sein, dachte Conny, dass er ihr irgendetwas sagen
wollte?
Wenn ja, tat er es jedenfalls nicht. Den Rest der Fahrt legten sie
zurück, ohne ein weiteres Wort zu wechseln.
Kapitel 6
Das Institut für Rechtsmedizin lag auf dem
Gelände der Universitätsklinik, aber das war auch schon das einzig Besondere
daran. Statt in einem hypermodernen Prachtbau mit verspiegelten Fenstern, war
es in einer nahezu lichtlosen Kellerflucht am äuÃersten Ende des
Universitätsgeländes untergebracht, und auch die schicken Computer und
garagentorgroÃen Flachbildschirme, wie man sie aus diversen Fernsehserien
kannte, suchte man hier vergeblich. In einigen der Büros, in denen sie im Laufe
der Zeit gewesen war, standen noch leibhaftige Schreibmaschinen auf den Tischen, und die von altmodischen Neonlampen erhellten Flure waren bis
in Hüfthöhe mit Holz vertäfelt und darüber im hässlichsten Babyblau gestrichen,
das sie jemals gesehen hatte. Das Ganze hatte den Charme eines
Luftschutzbunkers aus dem zweiten Weltkrieg.
Eichholz erwartete sie im Büro des Institutsleiters, das zwar groÃ,
aber ebenso spartanisch und altmodisch eingerichtet war wie alles hier, nicht
altmodisch im Sinne von alten Möbeln und kostbaren Antiquitäten, wie man es vielleicht erwartet
hätte, sondern einfach im Sinne von alt . Der einzige
Schmuck waren ein Dutzend gerahmter Auszeichnungen und Doktortitel an der Wand
über seinem Schreibtisch, und auch hier lag derselbe unangenehme Geruch wie in
dem gesamten Kellergeschoss in der Luft: fast wie in einem Krankenhaus, aber
doch ein bisschen anders. Aufdringlicher und ⦠unangenehmer. Vielleicht war es
auch nur Einbildung. Sooft sie auch schon hier gewesen war, hatte sie es nie
über sich gebracht, diesem Ort irgendetwas Positives abzugewinnen. Sie wollte
es auch gar nicht.
»Kommissarin Feisst«, begrüÃte sie Eichholz mit einem knappen
Lächeln und einem kaum angedeuteten, freundlichen Kopfnicken, das
sonderbarerweise gerade dadurch besonders ehrlich zu wirken schien. »Es freut
mich, Sie einigermaÃen gesund und wohlauf wiederzusehen. Und meinen herzlichen
Glückwunsch. Gute Arbeit.«
»Kein Problem. So etwas mach ich doch mit links.« Conny hob â
vorsichtig â ihren bandagierten rechten Arm und erntete verhaltenes Lachen. In
Eichholzâ Augen blitzte es kurz auf, und er gestattete sich sogar ein kurzes
Lächeln. Dann sah er auf die Armbanduhr.
»Sie sind pünktlich«, stellte er fest. War das etwa ein Lob? »Ganz
wunderbar. Kollege Trausch hat ihrem Arzt ein paar Stunden abgerungen, und wir
sollten die Zeit nutzen ⦠fühlen Sie sich kräftig genug, um ein paar Fragen zu
beantworten?«
Gut, vielleicht war das gerade wirklich ein Lob gewesen, das ihm
ganz versehentlich herausgerutscht war, aber natürlich machte er es mit einem
Kübel Eiswasser wieder wett.
»Natürlich nur, wenn Sie es möchten. Offiziell sind Sie ja
krankgeschrieben.«
»Das ist kein Problem. Ich freue mich über jede Ablenkung.« Conny
machte eine entsprechende Geste mit dem unverletzten Arm. »Aber wieso hier,
wenn ich fragen darf? War Ihnen Ihr Büro nicht gemütlich genug für einen
kleinen Plausch?«
»Sie kennen Professor Levèvre?«
Den Leiter des Instituts? »Nicht wirklich gut. Ich bin ihm nur ein
paarmal begegnet.«
»Dann haben Sie jetzt Gelegenheit, ihn besser kennenzulernen«,
antwortete Eichholz. »Er wird gleich hier sein.«
Eichholz ging zu einem groÃen, in seiner Schäbigkeit durchaus zum
Rest der Einrichtung passenden Konferenztisch, an dem nahezu zwei Dutzend
Stühle standen, und Conny folgte ihm. Trausch schloss sich ihm unaufgefordert
an. »Ãbertreiben Sie es nicht«, raunte er ihr zu.
»Was?«, gab Conny ebenso leise zurück. »Wer hat denn etwas
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