Unheil
von
Bambussplittern unter Fingernägeln erzählt ⦠oder waren es Glasscherben?«
Trausch verdrehte die Augen und schwieg.
»Bitte nehmen Sie Platz.« Eichholz machte eine einladende Geste.
Eine verchromte Kaffeekanne stand in der Mitte der quadratischen Platte und
dazu vier saubere Tassen. »Wir können die Zeit nutzen, damit Sie uns einen
ersten Bericht über die Ereignisse in diesem Heizraum geben können, Kommissarin
Feisst.«
»Ich dachte, das hätte ich schon«, antwortete Conny, während sie
sich auf den angebotenen Stuhl sinken lieà und mit einiger Mühe ein
erleichtertes Aufatmen unterdrückte. Ihr Bein schmerzte, und auf dem letzten
Stück war sie immer langsamer geworden und hatte immer deutlicher gehumpelt,
sodass Trausch ihr schon mit einer wortlosen Geste seinen Arm angeboten hatte,
um sie zu stützen â was sie natürlich empört abgelehnt hatte. Aber sie war
erschöpft und froh, nicht mehr stehen oder gar gehen zu müssen.
Eichholz reagierte nur mit einem Stirnrunzeln auf ihre Antwort ⦠die
zumindest übertrieben war. Nachdem sie das Bewusstsein zurückerlangt hatte,
hatte sie Trausch und ihm zwar in knappen Worten berichtet, was sich in dem
unterirdisch gelegenen Raum zugetragen hatte, und sowohl die beiden als auch
ihre Kollegen waren Profis genug, um sich den Rest anhand der Spuren
zusammenreimen zu können, aber einen wirklichen Bericht konnte
man das wohl nicht nennen.
»Sie bekommen natürlich noch einen ausführlichen schriftlichen
Bericht.«
»Natürlich!«, unterbrach sie Eichholz. »Wie es aussieht, haben Sie
in den nächsten Tagen ja Zeit genug, und wie ich Sie kenne, werden Sie
wahrscheinlich froh sein, wenn Sie überhaupt etwas zu tun haben.« Er wartete,
bis Trausch und sie Platz genommen hatten. Seine Hand glitt in die Jackentasche
und kam mit einem kleinen silberfarbenen Aufnahmegerät wieder zum Vorschein,
das er ihr reichte.
»Sie können Ihren Bericht diktieren. Ich lasse ihn dann abtippen,
und wir gehen die Endfassung gemeinsam durch.«
Von so viel unerwarteter GroÃzügigkeit mehr als überrascht, sah
Conny ihn einen Augenblick lang einfach nur verwirrt an, ehe sie â so
vorsichtig, als handele es sich in Wahrheit um ein hochgiftiges Insekt, das
jederzeit nach ihren Fingern schnappen konnte â nach dem Diktiergerät griff und
es einsteckte. Normalerweise war Eichholz wie der Teufel hinter der
sprichwörtlichen armen Seele her, dass jeder von ihnen seine Berichte nicht nur
höchstpersönlich, sondern auch ohne jegliche Hilfe verfasste; um der Authentizität willen, wie er immer wieder betonte. Er
musste wirklich seinen groÃzügigen Tag haben.
»Also?«
Conny war nach wie vor verunsichert, und ein rascher Seitenblick in
Trauschs Gesicht zeigte ihr, dass es ihm offensichtlich auch nicht sehr viel
anders erging. Aber sie deutete nur ein Schulterzucken an, warf einen kurzen,
beinahe sehnsüchtigen Blick auf die Kaffeekanne in der Mitte des Tisches â
Eichholz ignorierte ihn â und begann dann mit knappen, aber sehr präzisen
Worten zu erklären, was passiert war. Eichholz hörte schweigend und mit
konzentriertem Gesichtsausdruck zu. Erst, als sie schon zwei oder drei Minuten
lang geredet hatte, fiel ihr auf, dass Eichholz ein zweites, kleineres
Diktiergerät in der Hand hielt, auf dessen Vorderseite ein winziges rotes Licht
flackerte. Sie unterbrach sich und sah ihn fragend an.
»Es macht Ihnen doch nichts aus?«, fragte Eichholz lächelnd.
Welche Antwort erwartete er jetzt? Conny deutete nur ein
Kopfschütteln an und fuhr fort. Sie erzählte nicht alles. Es war nicht so, dass
sie absichtlich etwas weglieà oder gar die Unwahrheit sagte, aber natürlich
hütete sie sich, von dem Schatten zu berichten, den sie neben der Aufzugtür
gesehen zu haben glaubte, und selbstverständlich behielt sie auch das
vermeintliche Ende ihres verzweifelten Kampfs mit Aisler für sich. Es wäre ihr
nicht nur peinlich gewesen, von dieser unheimlichen Vision zu berichten; was
ihre durchgeknallte Phantasie in ihrem Kopf anrichtete, ging Eichholz nun
wirklich nichts an.
Er schien ohnehin nicht mit allem einverstanden oder zumindest
zufrieden zu sein, was er hörte. Er unterbrach sie kein einziges Mal, das
musste er auch nicht; der Ausdruck auf seinem Gesicht und ein gelegentliches
fragendes Stirnrunzeln waren beredt
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