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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen wäre … das
Problem dabei ist, dass er eigentlich gar nicht mehr so weit hätte kommen
dürfen. Vom ärztlichen Standpunkt aus gesehen, würde ich sagen, dass es
unmöglich ist, hätte ich ihn nicht selbst obduziert.«
    Â»Wieso nicht?«, fragte Trausch.
    Â»Der Mann ist innerlich verblutet«, antwortete Levèvre. Er klang
fast erleichtert, nun mit ihm reden zu können, statt weiter mit Conny. »Seine
Schussverletzung war weitaus schwerer gewesen, als er selbst geahnt hat – oder
es war ihm egal. Wer weiß schon, was in den Köpfen dieser Verrückten vorgeht?«
Er schauspielerte ein übertriebenes Schaudern. »Und der Kerl hat die ganze Zeit
vollkommen unerkannt unter uns gelebt. Das ist unfassbar.«
    Â»Das tun Serienmörder fast immer, Professor«, erinnerte ihn Trausch.
»Das macht sie ja so gefährlich.«
    Â»Bis vor zwei Jahren war der Junge der reinste Musterschüler«, fügte
Eichholz hinzu. Conny war nicht ganz sicher, ob die Worte dem Professor oder
ihr galten. »Er stammt aus einfachen, aber geordneten Verhältnissen, wie man so
schön sagt. Keinerlei Vorstrafen. Keine Auffälligkeiten. In der Schule hat er
ein Jahr übersprungen und das Abitur mit einer glatten Eins hingelegt.«
    Â»Das nenne ich heutzutage schon beinahe wieder eine Auffälligkeit«,
sagte Trausch mit einem säuerlichen Grinsen. Wieder versuchte er ihr etwas mit
Blicken zu signalisieren, und diesmal glaubte Conny ihn sogar zu verstehen. Ein
Kopfschütteln. Ich habe nichts gesagt.
    Â»Nach allem, was seine Freunde und seine Familie erzählt haben«,
fuhr Eichholz fort, nachdem er Trausch kurz und strafend auf eine Art gemustert
hatte, die deutlich machte, für wie unpassend er diese Bemerkung hielt, »war er
bis vor zwei Jahren ein ganz normaler Jugendlicher. Freundin, Führerschein,
manchmal am Wochenende Party … das Übliche eben.«
    Â»Bis vor zwei Jahren?«, fragte Conny. Ganz offensichtlich erwartete
Eichholz diese Frage von ihr. »Und was ist dann passiert?«
    Â» Was , wissen wir nicht«, antwortete
Eichholz betont. »Nur, dass etwas passiert ist.« Er
zuckte ratlos mit den Schultern und machte ein dazu passendes Gesicht. »Er hat
angefangen zu studieren. Medizin und Biologie. In den ersten paar Monaten mit
dem Erfolg, mit dem seine Familie und seine Freunde gerechnet haben. Aber danach … Wie gesagt: Anscheinend weiß niemand genau, was passiert ist. Seine Eltern sind
der Meinung, er wäre in die falschen Kreise geraten, mehr wussten sie auch
nicht. Jedenfalls sind seine Leistungen plötzlich in den Keller gerutscht, und
er fing an, sich vollkommen zu verändern.«
    Â»Lassen Sie mich raten«, sagte Conny. »Er hat angefangen, nur noch
schwarze Kleidung zu tragen und Gothic-Musik zu hören.« Sie musste an die
wenigen Bilder denken, die sie auf dem Monitor von Aislers Wohnung erblickt
hatte, und verspürte ein kurzes, aber eisiges Schaudern. Nichts davon hatte sie
zum ersten Mal gesehen, und hätte es sich um das Zimmer eines ganz normalen
jungen Mannes gehandelt, wäre das noch nichts Besonderes gewesen. Eine Phase,
die man in diesem Alter eben durchmachte. Es gab aus ihrer Jugend die eine oder
andere Anekdote und das eine oder andere Foto, das ihr heute mehr als peinlich
war. Nur war es eben nicht das Zimmer eines ganz normalen Jugendlichen gewesen.
    Â»Soll das heißen, es gibt eine ganze Szene von Jugendlichen, die
sich mit diesem …«, Levèvre suchte sichtbar nach Worten, »… mit diesem perversen
Kram beschäftigen?«
    Â»Die meisten sind vollkommen harmlos«, sagte Trausch. »Es macht
ihnen eben Spaß, sich die Gesichter weiß zu schminken und den ganzen Tag mit
Leichenbittermiene herumzulaufen.« Er winkte ab. »Mir persönlich gefällt das
auf jeden Fall besser, als würden sie sich die Köpfe scheren und
Lonsdale-Jacken tragen.«
    Â»Mag sein, aber das ist nicht unser Thema«, wies ihn Eichholz
zurecht. »Auch, wenn es zweifellos zutrifft, was Sie sagen.« Er negierte seinen
letzten Satz gleich selbst, indem er Trausch einen geradezu vernichtenden Blick
zuwarf, drehte sich dann übertrieben umständlich wieder zu Conny um und legte
die Fingerspitzen auf der Tischplatte aneinander. »Wie gesagt, wir sind noch
dabei, sein Umfeld zu durchleuchten. Er scheint sich jedenfalls einen
vollkommen

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