Unheil
neuen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut zu haben. Angeblich
weià niemand von seiner Familie und seinen ehemaligen Freunden und
Studienkameraden etwas Genaueres darüber, aber das kriegen wir schon raus. Vor
einem guten Jahr jedenfalls ist er Hals über Kopf zu Hause ausgezogen und hat
sich dieses Appartement gemietet.«
»Wer hat die Miete bezahlt?«, fragte Conny. »Und seinen
Lebensunterhalt?«
»BAföG«, antwortete Eichholz, »und dann und wann ein kleiner
Zuschuss seiner Eltern. Wir haben sein Konto durchleuchtet. Bis auf einen
einzigen, kleinen Betrag konnten wir alles zuordnen. Er scheint sehr bescheiden
gelebt zu haben.« Er lächelte knapp und ohne die mindeste Spur echten Humors.
»Keinen Alkohol, keine Drogen oder sonstige Ausrutscher. Anscheinend hat er
sich seinen Kick woanders geholt.«
Conny war verwirrt. Was Eichholz ihr gerade erzählte, mochte
interessant und zweifellos sachdienlich sein, um sich ein Bild Aislers zu
machen, aber es war letzten Endes doch ganz normale, routinemäÃige
Polizeiarbeit, und was sie über Aisler herausgefunden hatten, das war nun weiÃ
Gott nicht so spektakulär, dass er sie deswegen aus der Klinik holen und
hierher zitieren musste. Sie tauschte einen raschen, fragenden Blick mit
Trausch, als Eichholz gerade nicht hinsah, und erntete ein angedeutetes
hilfloses Schulterzucken.
»Aber deshalb haben Sie mich nicht herbestellt, nicht wahr?«
»Nein, ich fürchte nicht«, sagte Levèvre ungeschickt.
»Was genau soll das heiÃen?«, fragte Conny. Ihr Herz klopfte.
»Das soll heiÃen«, antwortete Eichholz, »dass Sie unmöglich mit ihm
gekämpft haben können. Der Mann hatte kaum noch Blut in den Adern.«
»Aber das ist doch kompletter Unsinn!«, protestierte Trausch. »Der
Kerl hat immerhin zwei unserer Kollegen umgebracht und einen dritten so schwer
verletzt, dass er immer noch auf der Intensivstation liegt.«
»Ach?«, fragte Eichholz. »Hat er das?«
»Was soll das heiÃen?», fragte Trausch.
»Nicht der Mann, der auf unserem Tisch liegt«, antwortete Levèvre.
»Ich wiederhole es gerne noch einmal. Es ist mir ein Rätsel, wie er es aus
eigener Kraft dort hinunter geschafft hat, um nicht zu sagen, es ist eigentlich
unmöglich. Und es ist vollkommen ausgeschlossen, dass
er noch aus eigener Kraft stehen konnte. Geschweige denn, jemanden angreifen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Conny. Ihr Mund war plötzlich
so trocken, dass sie kaum noch sprechen konnte. Ungeschickt streckte sie den
linken Arm aus und griff nun doch nach dem Kaffee, den Eichholz ihr
eingeschenkt hatte. Ihre Hand zitterte.
Levèvre druckste herum, und Eichholz kam ihm zu Hilfe. »Vielen Dank,
dass Sie sich die Zeit genommen haben, extra hierherzukommen, Professor. Sie
haben uns sehr geholfen. Würden Sie uns jetzt vielleicht einen Moment allein
lassen?«
Levèvre wirkte zunächst einfach nur verblüfft, quasi aus seinem
eigenen Büro geworfen zu werden. Gleich darauf machte sich jedoch Erleichterung
auf seinem Gesicht breit. »Das ⦠war doch selbstverständlich«, sagte er hastig.
»Ich habe ohnehin noch eine Menge zu tun. Bleiben Sie ruhig, so lange sie
wollen. Falls Sie noch irgendetwas brauchen, wenden Sie sich an meine
Sekretärin.« Unsicher stand er auf, nickte Trausch und ihr noch einmal wortlos
zu und ging.
»So, jetzt, wo wir allein sind«, begann Trausch, kaum dass er die
Tür hinter sich zugezogen hatte. »Was soll das alles hier?« Er sah kurz, aber
sehr intensiv zu Conny. Davon habe ich nichts gewusst. Dann
gab er sich alle Mühe, Eichholz regelrecht mit Blicken aufzuspieÃen. Eichholz
nahm ihn jedoch nicht einmal zur Kenntnis, sondern starrte unverwandt Conny an.
In seiner Miene war nun wieder die gewohnte Feindseligkeit zu lesen, die er der
ganzen Welt entgegenbrachte ⦠aber auch etwas, das sie für Enttäuschung gehalten
hätte, hätte es irgendeinen Grund für diese Annahme gegeben.
»Und Sie sind vollkommen sicher, dass Sie ihn aus dem Wagen kommen
gesehen haben?«, fragte er.
»Natürlich bin ich sicher!«, antwortete sie scharf. »Genau wie Sie!
Erzählen sie mir nicht, Sie hätten den Wagen nicht auf Fingerabdrücke
untersucht.«
»Selbstverständlich haben wir das«, antwortete er ungerührt.
»Aislers Fingerabdrücke wurden darin
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