Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hinuntergestiegen bin. Vielleicht sind Sie gestürzt und haben sich dabei
verletzt.«
    Â»Oh ja, natürlich!« Conny schlug sich mit der flachen Hand auf das
verletzte Bein. »Und das hier habe ich mir dann wohl selbst zugelegt, ohne es
zu merken, wie?«
    Eichholz verfuhr mit diesem Argument so wie mit allem, womit er
nichts anfangen konnte – er ignorierte es. Er wurde auch noch immer nicht
wütend, sondern wirkte allerhöchstens ein bisschen resigniert. »Ich kann Sie
durchaus verstehen, Frau Feisst. Sie sind jetzt erregt und zornig, und
wahrscheinlich sehr durcheinander. Glauben Sie mir, mir ist es gestern genauso
ergangen, als ich mit Professor Levèvre gesprochen habe – und ich wurde nicht
verletzt, niedergestochen und halb totgeprügelt.«
    Er wartete einen Herzschlag lang darauf, dass sie etwas sagte, und
deutete ein enttäuschtes Schulterzucken an. »Vielleicht war es falsch von mir,
Sie herbringen zu lassen. Es tut mir leid. Wir sollten dieses Gespräch besser
ein andermal fortsetzen. Vielleicht in zwei oder drei Tagen, wenn Sie sich ein
bisschen besser fühlen. Kommissar Trausch wird Sie zurück in die Klinik
bringen.«
    Â»In die Klinik?«, wiederholte Conny spitz. »Tatsächlich? Ich bin
nicht verhaftet?«
    Trauschs Blick wurde noch verzweifelter, und Conny gestand sich im
Stillen ein, dass er recht hatte. Sie gewann nichts, wenn sie Eichholz weiter
provozierte.
    Eichholz zögerte gerade einen Sekundenbruchteil zu lange, um sein
Schweigen nicht beunruhigend wirken zu lassen. Wahrscheinlich war es pure
Absicht. »Nein«, sagte er dann. »Ich möchte noch einmal auf Ihren vorläufigen
Bericht zurückkommen, Frau Feisst. Haben Sie mittlerweile Zeit gefunden, in
Ruhe über alles nachzudenken?«
    Jetzt wurde es ernst, das spürte sie. Es war wohl die letzte
Gelegenheit, um auch noch mit dem Rest der Geschichte herauszurücken;
vielleicht der schlechteste bisher überhaupt, aber jeder, der folgen würde,
wäre noch schlechter. Trotzdem zögerte sie noch einen spürbaren Augenblick, und
sei es nur, weil es ihr einfach peinlich war, ihr Versäumnis zuzugeben. »Ja«,
sagte sie. »Da ist noch etwas, das mir eingefallen ist.«
    Eichholz wirkte auf beunruhigende Weise wenig überrascht. Er sah sie
nur an. Conny zögerte noch einmal, fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über
die Lippen, die plötzlich wieder rissig und trocken waren, und trank einen
Schluck Kaffee. Er war lauwarm und schmeckte scheußlich, doch dann nahm sie all
ihren Mut zusammen und sah Eichholz so fest in die Augen, wie sie nur konnte. Nicht,
dass es ihn sonderlich zu beeindrucken schien; immerhin wirkte er plötzlich um
etliches aufmerksamer als noch vor einer Sekunde.
    Â»Die E -Mail«, begann sie. »Wegen der ich
überhaupt erst ins Trash gegangen bin.« Trausch
wirkte plötzlich ein bisschen angespannt, fast alarmiert, während Eichholz nur
fragend die Stirn runzelte. »Was soll damit sein?«
    Â»Ich glaube, ich habe ihren Absender getroffen.«
    Eichholz starrte sie weiter vollkommen wort- und ausdruckslos an,
und Trausch fragte ruhig: »Der Mann aus dem Trash?«
    Sie nickte und hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, Trauschs Blick
standzuhalten. »Ja. Vlad. Er hat mich dort angesprochen und behauptet, er
wüsste, wer der Vampir ist.«
    Diesmal dauerte die Stille, die ihren Worten folgte, länger.
Schließlich seufzte Eichholz tief und fragte ruhig: »Und weiter?«
    Â»Nichts weiter«, antwortete Conny. »Er hat mir Aisler gezeigt und
ist verschwunden.« Und am Abend darauf bei mir in der
Wohnung aufgetaucht. Und außerdem war er es, der Aisler erledigt hat, nicht
ich. Warum zum Teufel sagte sie es nicht?
    Die simple Wahrheit war: Sie konnte es nicht. Irgendetwas in ihr … machte es ihr unmöglich, die Worte auszusprechen; als stände er unsichtbar
neben ihr im Raum und starrte sie aus den unheimlichen, hypnotischen Augen an.
    Â»Und das ist alles?«, fragte Eichholz.
    Â»Nein«, antwortete sie. Schon dieses eine Wort kostete sie beinahe
ihre ganze Kraft. Irgendetwas in ihr schien aufzuschreien. Vielleicht ihre
Vernunft, der klar war, wie Eichholz auf dieses Geständnis reagieren musste.
    Er sah sie jedoch nur stumm und auffordernd an.
    Â»Er … war bei mir«, flüsterte Conny.
    Â»Wie bitte?«, fragte Eichholz.
    Â»Vorgestern Abend«, fuhr sie

Weitere Kostenlose Bücher