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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Conny.
    Â»Schauen Sie in der Elf nach. Vielleicht hat irgendein Dummkopf ihn
umgelegt, ohne Bescheid zu sagen.«
    Conny fragte sich, warum jemand so etwas tun sollte, aber sie
behielt diese Frage für sich. Sie war plötzlich sehr nervös. Schweigend und
angespannt sah sie zu, wie der Assistent die Bahre zurückschob und die
danebenliegende Tür öffnete. Das Kühlfach dahinter war leer, genau wie das auf
der anderen Seite. Levèvre wurde sichtbar blass.
    Â»Was bedeutet das?«, fragte Eichholz.
    Levèvre antwortete gar nicht, sondern gestikulierte seinem
Assistenten ungeduldig zu, weiterzusuchen.
    Nacheinander öffnete der junge Mann alle achtzehn Kühlboxen. Elf
davon waren leer. Vier enthielten eine komplette Familie – Mutter, Vater und
zwei Kinder, die bei einem Verkehrsunfall unter bisher ungeklärten Umständen
ums Leben gekommen waren (wie Levèvre ungefragt erklärte), eine alte Frau, die
aus dem städtischen Altenheim gebracht worden war, weil ihre Hinterbliebenen
bezweifelten, dass sie eines natürlichen Todes gestorben war (immerhin war sie
erst dreiundneunzig gewesen), und ein bisher nicht identifiziertes, männliches
Brandopfer, auf dessen Anblick sie gerne verzichtet hätte– Aisler war nicht
darunter.
    Â»Was soll das bedeuten?«, fragte Eichholz noch einmal, nachdem auch
die letzte Tür geöffnet worden war und Levèvre sämtliche Laken ein zweites Mal
angehoben und die Toten darunter ein weiteres Mal inspiziert hatte.
    Levèvre antwortete auch jetzt nicht darauf, sondern starrte eine
geschlagene Sekunde lang ins Leere und wandte sich dann mit fast schon
erzwungen ruhiger Stimme an einen sehr unglücklich aussehenden Assistenten.
»Ist heute Morgen ein Leichnam abgeholt worden?«
    Â»Nein, Herr Professor«, antwortete der junge Mann hastig. »Nicht,
seit ich hier bin. Seit halb acht.«
    Â»Und heute Nacht?«
    Â»Da müsste ich nachsehen, Herr Professor.« Der junge Mann wartete
Levèvres Zustimmung gar nicht erst ab, sondern verschwand wie der Blitz, und
Eichholz trat nun dicht auf Levèvre zu und nagelte ihn mit seinem Blick fest.
    Â»Sie wollen mir jetzt aber nicht erzählen, dass Aislers Leiche
verschwunden ist, oder?«, fragte er.
    Â»Natürlich nicht!«, fauchte Levèvre. »Das ist bestimmt … nur eine
Verwechslung, die sich sofort aufklären wird. Wahrscheinlich hat irgendein
Idiot die Kühlfächer verwechselt und den falschen Leichnam abholen lassen. Ach,
diese jungen Leute.«
    Â»Welcher Tote fehlt denn?«, fragte Trausch.
    Levèvre bedachte ihn mit einem Blick, der deutlich kälter war als
die Luft, die aus den Kühlfächern geströmt war, und zog es vor, gar nichts
darauf zu antworten.
    Â»Na, dann hoffen wir nur, dass man ihn nicht gleich ins Krematorium
gebracht hat«, fuhr Trausch fort.
    Niemand lachte. Levèvre starrte ihn nur noch feindseliger an, und
Conny spürte plötzlich ein eisiges Frösteln, redete sich aber ein, dass es nur
an der kalten Luft lag, die aus den anderthalb Dutzend offen stehenden
Kühlfächern strömte. Niemand sagte noch ein weiteres Wort, bis Levèvres
Assistent zurückkam, eine reichlich zerfledderte Kladde in der Hand und einen
deutlich unglücklicheren Ausdruck als gerade auf dem Gesicht.
    Â»Nun?«, fauchte Levèvre.
    Â»Das ist … also ich verstehe das nicht«, stammelte der Junge. »Hier
ist nichts eingetragen. Der letzte Transport war vorgestern und …«
    Levèvre riss ihm die Kladde aus der Hand, blätterte wütend zurück
und wieder vor und las die betreffenden Einträge mindestens dreimal, ehe er das
Notizbuch mit einem zornigen Knall zuklappte. »Verdammte Schweinerei!«,
polterte er.
    Â»Heißt das übersetzt, er ist weg?«, fragte Eichholz.
    Â»Das heißt übersetzt, dass irgendein Vollidiot vergessen hat oder zu
faul war, den entsprechenden Eintrag vorzunehmen, Herr Hauptkommissar«, sagte
Levèvre scharf. »Aber ich finde schon heraus, wer dafür verantwortlich ist,
keine Angst. Hier verschwinden keine Leichen!«
    Â»Wie es aussieht, schon«, sagte Trausch ruhig.
    Â»Ach, und wie?«, fauchte Levèvre. »Glauben Sie vielleicht, er ist
einfach aufgestanden und davonspaziert?«
    Conny wünschte sich, er hätte das nicht gesagt.

Kapitel 7
    Während der
nächsten zwanzig Minuten tobte Levèvre wie ein außer Rand

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