Unheil
lang
nichts anderes als feindselig an und stand dann mit einem Ruck auf, um
hinauszustürmen.
Eichholz sah ihm kopfschüttelnd nach und drückte seine erst zur
Hälfte aufgerauchte Zigarette in der Kristallschale aus. Wieder machte sich ein
unangenehmes, betretenes Schweigen zwischen ihnen breit, das lange genug
anhielt, bis sich Conny beinahe wünschte, dass Eichholz ihr weiter Vorhaltungen
machte. Er sagte jedoch nichts, sondern stand nach einer Weile nur auf, ging
erneut zu Levèvres Schreibtisch und kam mit einem Hefter aus blassrosa
Pappkarton zurück, in dem er für eine Weile zu blättern begann. Irgendetwas auf
der letzten Seite schien sein Interesse zu erwecken, denn Conny sah, dass er
einen bestimmten Abschnitt mindestens dreimal las und sich sein Stirnrunzeln
dabei jedes Mal weiter vertiefte. Und schlieÃlich war er es auch, der die
Stille unterbrach, aber er blieb dabei auf so Misstrauen erweckende Art ruhig
und verständnisvoll wie bisher.
»Hat dieser ⦠Vlad angedeutet, dass er noch einmal Kontakt mit Ihnen
aufnimmt?«, fragte er.
Ein Schulterzucken wäre vielleicht die passendste Reaktion gewesen â
bei dem sie sich nichts vergab, auf das er sie später aber auch nicht
festnageln konnte. Doch dann fing sie einen warnenden Blick von Trausch auf und
erinnerte sich daran, dass sie sich fest vorgenommen hatte, sich nicht weiter
auf dieses gefährliche Spiel von Halbwahrheiten und Ausflüchten einzulassen.
»Ja«, sagte sie.
»Dann ist das unsere Chance, ihn zu kriegen«, sagte Trausch.
Eichholz nickte zwar, obwohl sein Gesichtsausdruck zweifelnd blieb.
»Und wie stellen Sie sich das vor? Frau Feisst ist verletzt, und wenn dieser
Kerl wirklich der ist, für den wir ihn halten, dann ist er gefährlich.« Er
schüttelte heftig den Kopf, um Trauschs nächster Bemerkung zuvorzukommen. »Ich
kann das Risiko nicht eingehen, Sie als Köder zu benutzen. Und wir haben noch
nicht genug Leute, um sie vierundzwanzig Stunden am Tag zu überwachen.«
»Das ist auch nicht nötig«, sagte Conny. »Ich glaube nicht, dass er
mir etwas tut.«
Trausch blickte überrascht, und Eichholz brachte es mit einem
einzigen Wort auf den Punkt. »Wieso?«
Conny hob hilflos die Schultern. »Ich hatte nicht das Gefühl, dass
irgendeine Gefahr von ihm ausgeht.«
»Das hatten diese armen Mädchen wahrscheinlich auch nicht«, sagte
Eichholz. »Sonst wären sie kaum freiwillig mit ihm gegangen.« Ein kurzes,
humorloses Lächeln huschte über sein Gesicht. »Von unseren beiden Kollegen will
ich gar nicht reden.«
»Das dort unten war nicht Vlad«, hörte sich Conny beinahe zu ihrer
eigenen Ãberraschung widersprechen. Eichholz und Trausch runzelten in seltener
Einmütigkeit die Stirn, und auch Conny wusste, dass sie jetzt besser die Klappe
halten sollte. Trotzdem fuhr sie leise, in nur noch überzeugterem Ton, fort:
»Ich weiÃ, was ich gesehen habe.«
Eichholz holte tief Luft, vermutlich, um nun doch in seiner
gewohnten Art loszupoltern, und hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss und
Levèvres Stimme sagte: »Das glaube ich Ihnen gerne, junge Dame, aber das, was
Sie gesehen haben, muss nicht unbedingt das sein, was Sie gesehen haben.«
Conny drehte sich ärgerlich halb auf ihrem Stuhl herum. Levèvre kam
zurück, ein kaum taschenbuchgroÃes DVD -Abspielgerät
in der einen und einen kleinen Stapel der silbernen Scheiben in der anderen
Hand. »Sie wären erstaunt«, fuhr er fort, »wenn Sie wüssten, wozu unsere
Phantasie in der Lage ist, wenn sie sich wirklich entschlossen hat, uns etwas
vorzumachen.«
Wahrscheinlich, dachte Conny, wäre er erstaunt, wenn er wüsste, wie viel sie zurzeit zu
diesem Thema zu sagen hätte. Sie machte sich allerdings gar nicht erst die
Mühe, zu antworten. Sie wusste, was sie gesehen hatte. Basta.
»Sind das die Ãberwachungsvideos?«, fragte Trausch mit einer
Kopfbewegung auf die drei winzigen silbernen Scheiben in Levèvres Hand. Conny
fiel erst jetzt auf, dass sie deutlich kleiner waren als gewöhnliche CD s.
»Ja, so ⦠nennt man das wohl heutzutage«, antwortete Levèvre. Er
wirkte ein bisschen hilflos, winkte aber zugleich auch mit dem Abspielgerät,
das er in der anderen Hand trug. »Unsere Sicherheitsleute meinten, dass sie im
Präsidium vielleicht nicht die passende Technik haben, um sie
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