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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leicht?
    Â»Dass wir nichts gefunden haben, bedeutet nicht, dass nichts da
ist«, erwiderte Levèvre. »Manchmal muss man einfach wissen, wonach man sucht.
Wir haben die Wunde auf Metall-, Glas- oder Kunststoffrückstände abgesucht,
irgendetwas in der Art, und nichts gefunden. Wonach wir nicht gesucht haben,
das war etwas, das vielleicht ganz selbstverständlich in der Natur vorkommt.«
    Â»Was genau meinen Sie damit?«, fragte Trausch.
    Â»Wo würden Sie einen Baum verstecken, Herr Kommissar?«, fragte
Levèvre. »Doch wohl im Wald, oder?« Er strahlte über das ganze Gesicht,
offensichtlich begeistert von seinem eigenen, wenig originellen Wortspiel.
    Â»Nur, damit ich Sie richtig verstehe, Herr Professor«, beharrte
Trausch, vollkommen unbeeindruckt. »Er ist nicht mit … einer Waffe getötet
worden?«
    Â»Das habe ich nicht gesagt. Aber jedenfalls mit keiner, die ich
kenne«, antwortete Levèvre. »Was nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Man kann
jemandem mit einem Diamanten die Halsschlagader aufreißen oder mit einem
Eiszapfen. Ist alles schon vorgekommen.«
    Oder mit einem Reißzahn , dachte Conny.
    Jedenfalls glaubte sie, es nur zu denken.
    Ungefähr eine Sekunde lang. Bis ihr klar wurde, dass die drei
anderen sie anstarrten.
    Sie hatte Levèvres Büro schließlich beinahe fluchtartig
verlassen und war trotz ihrer schmerzenden Wade so rasch den Flur
entlanggestürmt, dass Trausch seine liebe Mühe hatte, zu ihr aufzuschließen,
ohne wirklich zu rennen. Er holte sie erst ein, als sie den Lift erreicht hatte
und anhalten musste, um auf die Kabine zu warten. »Das war jetzt nicht
besonders klug von Ihnen, Conny«, platzte er heraus.
    Â»Ach nein?«
    Â»Nein«, bestätigte er. »Ganz und gar nicht. Ich weiß nicht, was in
Eichholz gefahren ist. So sanftmütig wie heute habe ich ihn noch nie erlebt.«
    Â»Sanftmütig?«, ächzte sie. »Ich bin erstaunt, dass er mich nicht auf
der Stelle verhaftet hat!«
    Â»Ich auch«, antwortete Trausch ruhig »Trotzdem war er sehr
beherrscht.«
    Â»Sie meinen, weil er so behutsam versucht hat, mir beizubringen,
dass er mich für verrückt hält?«
    Der Aufzug kam. Die Türen glitten auseinander, und Conny trat rasch
in die Kabine und drückte den Knopf für die Tiefgarage. Trausch sprach erst
weiter, nachdem sich der Aufzug in Bewegung gesetzt hatte.
    Â»Und wenn es stimmt?«, fragte er.
    Â»Was?«, schnappte Conny. »Dass ich verrückt bin? Das muss wohl so
sein, sonst würde ich kaum noch mit Ihnen reden.« Sie drehte sich ganz zu ihm
um und funkelte ihn an. »Haben Sie das gewusst?«
    Â»Die Sache mit Aisler?« Trausch schüttelte den Kopf. »Nein. Ich
wusste, dass irgendetwas nicht stimmt, aber nicht, was. Glauben Sie etwa, ich
hätte es Ihnen nicht gesagt?«
    Conny starrte ihn wortlos an. Trausch erwiderte ihren Blick trotzig,
aber ihr Schweigen schien ihn auch zu verletzen, denn er sagte auch weiter
nichts, sondern hüllte sich nun seinerseits in beleidigtes Schweigen, bis sie
nicht nur die Tiefgarage erreicht hatten, sondern schon im Wagen saßen. Conny
war es – wenigstens für diesen Augenblick – nur recht. Sie war verunsichert,
wütend – und weit heftiger und tiefer erschrocken, als sie sich selbst
eingestehen wollte. In ihrem Kopf schien plötzlich ein heilloses Durcheinander
zu herrschen. Sie war unbeschreiblich wütend auf
Eichholz. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein? Was, wenn … er tatsächlich recht
hatte?
    Sie war noch lange nicht so weit, diesen Gedanken auch nur ernsthaft
in Erwägung zu ziehen, aber vielleicht … nur rein theoretisch, als bloßes
Gedankenspiel bar jeder Wahrscheinlichkeit … natürlich war es möglich, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte. Unwahrscheinlich,
aber möglich. Vielleicht hatte Aisler sie doch härter getroffen, als sie geahnt
hatte, oder sie hatte ein wenig zu viel Anästhetikum abgekriegt. Es würde auf
jeden Falle eine Menge erklären.
    Auch wenn sie ganz genau wusste, dass es nicht so gewesen war.
    Â»Es tut mir leid«, sagte sie, als Trausch den Motor startete. »Das
wollte ich nicht.«
    Â»Was?«
    Â»So auf Sie losgehen. Das war unfair von mir.«
    Â»Stimmt«, antwortete Trausch. »Aber ich bin es gewohnt, unfair
behandelt zu werden. Vergessen Sie nicht, wer mein Chef ist.

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