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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bringen. Und beinahe wäre es ihm sogar gelungen. Aber eben
nur beinahe.
    Als sie im Aufzug nach oben fuhren, begann er wieder: »Sie wissen,
dass das Öl in Eichholz’ Feuer ist, was Sie hier tun. Wenn Sie es darauf
angelegt haben, ihm noch mehr Munition zu liefern, dann machen Sie das ganz
ausgezeichnet.«
    Das traf ja zu. Und Conny war klar, dass sie besser gar nicht
antworten sollte; schon, damit es ihm am Ende nicht doch noch gelang, sie zu
überzeugen. Trotzdem fragte sie: »Damit er mir nachweisen kann, dass bei mir
eine Schraube locker ist?«
    Â»Ich weiß, dass das nicht stimmt.« Trausch klang verärgert, und
schließlich tat sie ja auch alles, um ihm einen Grund dafür zu geben. »Machen
Sie so weiter, und er muss sich nicht einmal anstrengen, um auch den Rest der
Welt davon zu überzeugen. Verdammt – glauben Sie etwa, Sie wären die erste
Beamtin, die unter zu großem Stress zusammengeklappt ist?«
    Â»Das bin ich nicht!«
    Â»Aber Sie machen es einem verdammt schwer, das zu glauben«,
versetzte Trausch. »Ich fahre jetzt zurück und reiche einen Urlaubsschein ein.
Mit ein bisschen Glück bin ich schon auf einem anderen Kontinent, wenn Eichholz
davon erfährt.«
    Sie hatten ihre Etage erreicht. Der Lift hielt an, und Trausch wollte
hinter ihr aus der Kabine treten, doch Conny schüttelte rasch den Kopf. »Den
Rest schaffe ich allein. Danke, dass Sie mich hergebracht haben.«
    Er blieb gehorsam stehen, streckte aber die Hand aus, um die
Lichtschranke der Tür zu unterbrechen. »Eine allerletzte Chance, an Ihre
Vernunft zu appellieren?«, fragte er.
    Â»Das hat nichts mit Vernunft oder Unvernunft zu tun«, antwortete sie
ernst. »Ich muss einfach eine Weile über alles nachdenken, in aller Ruhe. Und
das kann ich nur hier, nicht in dieser … Folterkammer.«
    Â»Sie haben nicht zufällig eine Krankenhaus-Phobie?«, fragte er.
    Â»Allerhöchstens gegen Schwester Drachenzahn.« Trausch lächelte jetzt
doch, wenn auch beinahe widerwillig, und sie fuhr fort: »Ich bleibe hier, keine
Sorge. Und Sie können Eichholz beruhigen. Ich werde ganz bestimmt mit niemandem
von der Presse reden. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit für mich.«
    Â»Also gut.« Trausch seufzte. »Es gefällt mir nicht, und ich halte es
immer noch nicht nur für einen Fehler, sondern auch für wirklich dumm. Ich kann
Sie allerdings nicht zwingen …« Er legte den Kopf schräg. »Oder kann ich?«
    Â»Nein«, sagte Conny lächelnd. »Aber vielen Dank noch einmal.« Und
damit drückte sie seinen Arm herunter, trat zurück und wartete, bis sich die
Aufzugtüren zwischen ihnen geschlossen hatten und die Kabine abgefahren war.
Dann fiel das Lächeln wie eine brüchig gewordene Maske von ihrem Gesicht ab und
machte einem Ausdruck unendlicher Müdigkeit Platz; desselben Gefühls, das sie
auch tief in sich spürte. Das Schlimme war, dass es stimmte, jedes einzelne
Wort. Was sie gerade tat, war unlogisch, dumm und verantwortungslos – und sie
wusste nicht einmal genau, warum sie es eigentlich
tat. Sie hatte die Wahrheit gesagt, als sie Trausch von ihrer Krankenhaus-Phobie erzählt hatte, dabei jedoch zugleich
kräftig übertrieben. Es war keine wirkliche Phobie. Wie beinahe jeder fühlte
sie sich in Krankenhäusern nicht besonders wohl. Vielleicht war dieses
Nicht-Wohlfühlen bei ihr etwas stärker ausgeprägt als bei den meisten, aber
nicht so sehr, um diesen … Blödsinn zu rechtfertigen.
    Die schlichte Wahrheit war: Sie wusste es nicht.
    Und das beunruhigte sie.
    Sie wartete, bis ihr die Anzeige des Aufzugs verriet, dass er die
Tiefgarage erreicht hatte (und auch dort blieb), bevor sie sich mit hängenden
Schultern umdrehte und losging. Die Müdigkeit, die sie so plötzlich überfallen
hatte, war noch immer da. Es war kein rascher, vergänglicher Schub gewesen,
sondern etwas, das sich tief in ihr eingenistet zu haben schien.
    Vielleicht war das schon die simple Erklärung. Sie war schlichtweg
müde und brauchte einfach ein paar Stunden Schlaf, und zwar in ihrem eigenen
Bett und ihrer vertrauten Umgebung.
    Sie griff in die Tasche, zog den Schlüsselbund heraus und hätte
beinahe laut aufgestöhnt, als sie sich an den schweren Metalldeckel in der
Tiefgarage erinnerte und das improvisierte Werkzeug, mit dem sie ihn
aufgehebelt hatte. Der

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