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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schlüssel war wie durch ein Wunder nicht abgebrochen,
aber ungefähr so krumm wie ein Angelhaken, und noch dazu in sich verbogen, als
hätte jemand versucht, ihn zu einer Möbiusschleife umzubauen.
    Na, wunderbar. Ganz genau das hatte ihr noch gefehlt. Allein bei der Vorstellung , Trausch auf seinem Handy anzurufen und
ihn zu fragen, ob er sie vielleicht doch wieder abholen könnte, wurde ihr übel.
    Selbstverständlich wusste sie, wie sinnlos es war. Sie versuchte es
trotzdem, bekam den Schlüssel nicht einmal einen Millimeter weit ins Schloss
und ließ den Arm mit einem enttäuschten Seufzen wieder sinken, und etwas wie
ein Hauch körperloser Kälte streifte ihre Seele. Irgendetwas geschah mit dem
Licht, und hinter ihr sagte eine Stimme: »Darf ich es einmal versuchen?«
    Vlad streckte den Arm aus, nahm ihr den verbogenen Schlüssel aus der
Hand und schob sie mit sanfter Gewalt zur Seite. Conny konnte nicht erkennen,
was er tat, aber nach ein paar Sekunden sprang das Schloss mit einem hörbaren
Klicken auf, und Vlad trat beiseite, schob die Tür mit der linken Hand auf und
machte mit der anderen eine einladende Geste.
    Â»Worauf wartest du?«, fragte er, als sie sich nicht rührte, sondern
ihn nur anstarrte. »Dass ich dich über die Schwelle trage? So weit sind wir
noch nicht.«
    Conny war viel zu verblüfft, um irgendetwas anderes zu tun, als zu
gehorchen und vor ihm durch die Tür zu treten. Wie hatte er das gemacht? Noch
vor einer Sekunde war der Flur hinter ihr vollkommen leer gewesen!
    Schlechte Luft und ein milchiges Halbdunkel empfingen sie, als sie
eintrat, und als Vlad die Tür schloss, wurde es noch dunkler. Conny tastete
unsicher nach dem Lichtschalter, aber ihr uneingeladener Gast kam ihr auch
dieses Mal zuvor und betätigte ihn. In der Wohnung herrschte eine sonderbare
Stimmung, als wäre sie wochenlang fort gewesen, nicht nur anderthalb Tage. Die
Fenster waren geschlossen und die Vorhänge zugezogen, und beim zweiten Hinsehen
erkannte sie, dass die Schubladen, die sie zum Teil offen stehen gelassen
hatte, jetzt ordentlich geschlossen waren. Dasselbe galt für das Fenster. Sie
hatte es gekippt, um den Zigarettengestank loszuwerden, jetzt war es ebenfalls
sicher verriegelt. Die Küche war penibel aufgeräumt, und der benutzte
Aschenbecher war jetzt sauber und stand nicht mehr genau da, wo sie ihn
zurückgelassen hatte. Jemand war hier gewesen.
    Â»Ich war das nicht«, sagte Vlad, als sie ihn fragend anblickte. »Ich
gebe ja gerne zu, dass ich die eine oder andere schlechte Angewohnheit habe,
aber aufräumen gehört ganz sicherlich nicht dazu.« Er hob in einer übertrieben
gespielten, abwehrenden Geste beide Hände und gab ihr dann aus der gleichen
Bewegung heraus ihren Schlüsselbund zurück. Conny wollte ihn ganz automatisch
einstecken, doch dann fiel ihr Blick auf den verbogenen Wohnungsschlüssel, und
sie zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Er war immer noch verbogen.
    Â»Wie haben Sie das gemacht?«, fragte sie verblüfft.
    Statt ihre Frage zu beantworten, lächelte Vlad nur spöttisch, machte
dann zwei Schritte an ihr vorbei und sah sich dann aufmerksam um. »Es stimmt.
Jemand war hier. Deine Kollegen.«
    Â»Meine …?«
    Â»Vermute ich«, fügte er hinzu; in einem Ton, der nicht einmal
annähernd überzeugend wirkte.
    Â»Was …?«, begann sie, biss sich auf die Unterlippe und setzte nach
einem unechten Räuspern und mit erzwungen ruhiger, fester Stimme noch einmal
neu an: »Was wollen Sie hier?«
    Ihre scheinbare Gelassenheit überraschte sie beinahe selbst. Es gab
zwei Möglichkeiten: Sie unterhielt sich gerade mit einem Gespenst, einer
Ausgeburt ihrer eigenen Phantasie, die offensichtlich nicht müde wurde, sich
immer neue Gemeinheiten einfallen zu lassen, um sie zu quälen (doch wenn das so
war … wie war sie dann eigentlich hier hereingekommen? Sie hielt immer noch den
Bund mit dem verbogenen Schlüssel in der Hand), oder der Kerl war nicht der,
für den er sich ausgab, und damit mehr als gefährlich.
    Â»Vielleicht wollte ich nur eine alte Freundin besuchen?«, gab er
zurück, mit einem angedeuteten spöttischen Lächeln und einer Betonung, die die
Worte zu etwas anderem machten, etwas Unangenehmem, das sie nicht wirklich
greifen konnte.
    Â»Ich wusste gar nicht, dass wir Freunde sind«, antwortete sie lahm.
Und fragte sich

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