Unheil ueber Oxford
Gesprächsstoff haben. Bestimmt werden wir prima Kumpels. Ich befasse mich gern mit den Projekten der Entwicklungsabteilung – sofern man mich lässt, versteht sich.« Er verzog das Gesicht.
»Kannten Sie Christopher Townsend gut?«, erkundigte sich Kate so naseweis wie üblich.
»Wir waren die besten Freunde«, erklärte John wenig überzeugend. »Wir alle hier vermissen ihn. Ganz besonders natürlich Sadie. Die beiden standen sich wirklich sehr nah.«
Kate hätte sich nicht gewundert, wenn er ihr dabei zugezwinkert hätte. Von dem sollte ich mich fern halten, dachte sie. Er ist absolut nicht mein Fall – vor allem die abfälligen Bemerkungen über Leute, die ich noch gar nicht kenne. Immerhin war er gut gekleidet: teures Hemd, ausgesprochen hübsche Seidenkrawatte und ein hervorragend geschnittener Anzug, der nur durch die Schuppen auf den Schultern etwas an Stil einbüßte. Die Angestellten des Colleges schienen besser bezahlt zu werden, als Kate vermutet hatte.
Er warf einen Blick auf die Uhr. »Zeit für meine Kaffeepause«, verkündete er. »Die will ich nicht hier vertrödeln. Hätten Sie Lust, mich zu begleiten? Kommen Sie mit zur Elite.« Er lachte, um seinen Spruch als Witz abzutun, doch Kate hatte den Eindruck, dass er sich insgeheim seinen Kollegen überlegen fühlte.
»Ich bin gerade mitten in meinem Einführungskurs«, improvisierte sie.
»Schade. Na, vielleicht ein anderes Mal.«
Während er hinausging, begann das Telefon auf seinem Schreibtisch zu läuten. Er beachtete es nicht.
»Könntest du für mich drangehen, Annette?«, sagte er.
»Geh doch selbst dran!«, gab sie zurück.
Welch glückliche, kooperativ arbeitende Belegschaft!
»In diesen drei Räumen hier befindet sich die Finanzverwaltung«, erläuterte Sadie, nachdem sie ihr Telefonat beendet hatte. Düster betrachtete sie das Telefon auf dem Schreibtisch von John Clay, als könne sie es mit finsteren Blicken zur Ruhe bringen. »Das Büro des Quästors, Rob Grailing, liegt dort drüben. Grailing ist sehr nett. Am Schreibtisch neben seiner Bürotür sitzt seine Sekretärin Annette Paige.« Bei der Erwähnung ihres Namens hob eine hellhaarige Frau den Kopf und setzte ein verkniffenes Lächeln auf. »Es ist ein wenig schwierig, mit ihr auszukommen«, raunte Sadie Katie zu. »Wenn man etwas von ihr will, muss man sie behandeln wie ein rohes Ei. Sie wird gern ein wenig hofiert.«
Kate lächelte Annette strahlend an und erntete einen steinernen Gesichtsausdruck.
»Es gibt noch eine Teilzeitkraft. Sie heißt Becky und sitzt an dem anderen Schreibtisch, wenn sie da ist. Ein nettes Mädchen, allerdings nicht besonders helle. Durch die Tür da drüben geht es zur Entwicklungsabteilung. Der Chef war Chris Townsend, aber Sie haben sicher gehört, dass er vor kurzem tödlich verunglückt ist.«
»Ja«, sagte Kate und beließ es dabei.
»Werden Sie Chris’ Nachfolgerin?«, meldete sich Annette zu Wort, stand auf und trat zu ihnen. »Soviel ich weiß, ist der Job bisher nicht ausgeschrieben worden.«
»Kate bleibt nur einen Monat, um uns bei unserem Workshop zur Hand zu gehen«, erklärte Sadie. »Sie hat einen befristeten Vertrag.«
»Dann ist es gut«, sagte Annette und kehrte zu ihrem Schreibtisch zurück. »Wir wollen nämlich nicht, dass eine unqualifizierte Kraft die Entwicklungsabteilung leitet.«
»Natürlich nicht«, pflichtete Kate ihr bei und bemühte sich, möglichst bescheiden dreinzublicken. Ob sie sich eine Plakette mit der Aufschrift »Habe keine Ambitionen« an die Kleidung heften sollte?
Sadie ging voraus ins Büro der Entwicklungsabteilung. »Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie jetzt noch nicht alle Mitarbeiter auseinander halten können. Bis Sie sich richtig auskennen, stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.« Sie ließ die Tür ins Schloss fallen. »Und wenn Ihnen der Klatsch und Tratsch da draußen auf die Nerven geht, dann halten Sie einfach die Tür hier fest verschlossen.«
Am Fenster stand ein Schreibtisch. »Das ist Chris’ Arbeitsplatz«, fuhr Sadie fort. »Oder war es, sollte ich wohl besser sagen. Solange Sie hier sind, können Sie ihn gern benutzen. Ich zeige Ihnen, wo er seine Akten aufbewahrte.«
»Stört das die anderen nicht? Ich möchte nicht, dass es so aussieht, als wolle ich mich hier breit machen und ihn beerben.«
»Kümmern Sie sich nicht um Annette«, erwiderte Sadie. »Sie ist ein wenig besitzergreifend und steht Neulingen ziemlich kritisch gegenüber. Ich glaube, sie hat
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