Unheil ueber Oxford
Rechnung. Die habe ich Sadie gegeben.« Kate trat näher an den Schreibtisch heran und ließ sich in ihren Stuhl fallen.
»Tatsächlich. Das hat sie mir gar nicht gesagt!«
»Es war sicher nicht wichtig.« Kate gab es auf, ihn vor passivem Alkoholgenuss schützen zu wollen.
Da Charleston noch immer zögerte, das Büro zu verlassen, fügte sie hinzu: »Wahrscheinlich sollten Sie Sadie danach fragen. Ich habe nicht erkennen können, um was es sich genau handelte.«
»Aber Sie informieren mich, sobald Sie noch etwas finden, nicht wahr? Auch über Dinge, die sich vielleicht hinter einer Datei im Computer verbergen.«
»Sie würden mir die Aufgabe erleichtern, wenn ich wüsste, nach was ich Ausschau halten soll.«
»Listen«, sagte Charleston unbestimmt. »Namen vielleicht. Mit Zahlen beschriebenes Rechenpapier.«
Kate musste lachen. »Wenn man Ihnen zuhört, müsste man glauben, dass Chris Townsend ein Erpresser war!«
Einen Moment lang herrschte unangenehme Stille, dann fiel Steven Charleston in ihr Lachen ein. »Sehr witzig!«, prustete er. »Das müssen Sie unbedingt Sadie erzählen.«
»Also, ich muss jetzt noch etwas arbeiten«, sagte Kate in der Hoffnung, er möge endlich gehen.
»An Ihrer Stelle würde ich zuerst einmal eine große Tasse schwarzen Kaffee trinken«, stichelte er, ehe sein krebsrotes Gesicht und gelber Tweed aus ihrem Büro verschwanden.
KAPITEL 7
»… du hättest wissen müssen
Welch Unglück Evas Sündenfall
Der Menschheit bringen würde.«
John Milton, Paradise Lost XI
W
ürde es dir etwas ausmachen , mit deiner Lebensgeschichte fortzufahren? «
Zophiel hat sein früheres Aussehen wieder angenommen : über vier Meter groß , stark und männlich . Seine Flügel sind von einem schmucklosen Dunkelblau .
» Wozu? Wollen Sie immer noch versuchen zu beweisen , dass ich das geborene Opfer bin? «
» Ich habe nicht behauptet , dass Opfer als solche geboren werden . Allerdings glaube ich , dass das Verhalten eines Menschen während seines Lebens ihn auf eine bestimmte Rolle vorbereitet . Er übt sie in kleinen , alltäglichen Situationen ein , und zwar Schritt für Schritt . In deinem Fall nehme ich an , dass dein Status als Opfer sorgfältig gepflegt und entwickelt wurde .«
»Quatsch! «
» Natürlich kann ich dessen nicht sicher sein , ehe ich nicht mehr gehört habe .«
» Sie wollen also , dass wir den Sinn meines Lebens herausfinden? «
» Wie kommst du darauf , dass ein Leben nur eine Bedeutung hat? Kann man ein Gedicht nicht auf vielfältige Weise interpretieren? «
» Ich dachte , so wäre es . Ich war der Meinung , dass ein Gedicht oder ein bestimmter Lebensabschnitt , die man einmal verstanden hat , ihre Bedeutung ein für alle Mal behielten . Und zwar für immer .«
» Nun , dann lernst du jetzt dazu .«
» Was wünschen Sie zu hören? «
» Am liebsten etwas aus der Zeit zwischen dem Abgang von Dianne und dem Auftreten Brionys . Aus der Interimsperiode sozusagen .«
» Sie sprechen von Viola .«
» Tue ich das? «
» Sie war die erste wahre Liebe meines Lebens .«
» Das hört sich nach einem geeigneten Thema für meine Aufzeichnungen an .«
» Wir haben uns auf der Universität kennen gelernt . ›In meiner Milchzeit , als mein Verstand noch grün! ‹, wie es Cleopatra ausdrückt .«
» Oxford? «
» Nicht ganz .«
Wir trafen uns auf der Uni. In London, nicht in Oxford. Möblierte Zimmer und U-Bahn statt mittelalterlicher Treppenhäuser und Stakkähne auf dem Fluss. Wo wir uns kennen lernten? In der Schlange an der Essensausgabe der Mensa. Unsere Tabletts berührten sich, und der Funke sprang über. Ich hatte Steak-Pastete, Pommes frites und eine Beilage aus Mais und Paprika. Sie hatte sich für das vegetarische Essen entschieden, Tofu, ohne Lab zubereiteten Käse und grünen Salat. Dazu trank sie Apfelsaft. In der Mensa gab es nur noch zwei freie Plätze, und die waren zufällig am gleichen Tisch. Unmittelbar ehe sie das Besteck endgültig aus der Hand legte und nach ihrer Jutetasche mit dem Greenpeace-Emblem griff, lud ich sie zur Spätvorstellung im Filmclub ein. Ich weiß noch, es war Lautlos im Weltraum . Ich hatte den Film zwar schon zwei Mal gesehen, doch ich nahm an, dass er ihr gefallen würde. Und ich habe Recht behalten.
Danach blieben wir zusammen. Wir nannten es zwar ›miteinander ausgehen‹, aber in Wirklichkeit blieben wir ziemlich oft zu Hause. Zu Beginn des folgenden Semesters fanden wir Studentenbuden im gleichen Haus und
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