Unheil ueber Oxford
auf. »Dekoriert mit Cherubim, die eine Rebe halten.«
»Klingt scheußlich«, bemerkte Kate.
»War aber teuer«, sagte John. »Haben Sie sich noch nie gefragt, wie viel Gehalt unser hübscher Finanzverwalter bekommt?«
»Ich nehme an, das Übliche«, erwiderte Kate und wunderte sich über sich selbst. Seit wann verteidigte ausgerechnet sie das Establishment?
»Wieso kann er sich dann ein solches Auto leisten?«, fragte John triumphierend.
»Und die teuren Urlaubsreisen«, fügte Annette hinzu. »Ich würde auch gerne mal nach Marokko oder Neu Mexiko fliegen, aber da muss man wohl besonderes Glück haben.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«, hakte Kate so neugierig wie immer nach.
»Der Quästor gehört in diesem College zum akademischen Personal«, sagte John. »Deshalb hat er auch einen Assistenten. Mich nämlich«, setzte er unnötigerweise hinzu. »Von Rechts wegen sollte ich ebenfalls den Titel Quästor tragen.« Er schien einen alten Missstand anzusprechen.
»Eines Tages wird es so weit sein«, besänftigte Annette. »Wenn alles aufgedeckt wird«, fügte sie geheimnisvoll hinzu.
»Es gibt hier auch noch einen Buchhalter und einen Verwalter«, fuhr John fort. »Der Quästor jedoch hat die alleinige Kontrolle über sämtliche Finanzen des Colleges, was ihm eine ziemliche Macht verleiht.«
»Wollen Sie etwa behaupten, dass der Finanzverwalter – dieser nette Robert Grailing – sich schmieren lässt?«, fragte Kate freiheraus.
»Oh, das haben wir nicht gesagt«, erklärte John, setzte seine Tasse entschlossen auf die Untertasse und stellte beides auf das Tablett.
»Wir würden nie jemanden beschuldigen«, sagte Annette, steckte das letzte Stück trockenen Keks in den Mund und kaute ausgiebig.
»Aber es gibt hier einige recht zweifelhafte Studenten, die in Promotionsstudiengänge eingeschrieben sind.« John stand auf und ging zur Tür. »Studenten aus ziemlich reichen Familien.«
»Und es gibt auch Gerüchte darüber, auf welche Weise am Bartlemas College ausgeschriebene Baumaßnahmen zugeteilt werden«, fügte Annette hinzu und folgte ihm.
»Aber darüber werden wir nicht informiert. Jeder hütet sein kleines Geheimnis. Wir schnappen nur hier und da etwas auf«, fuhr John, schon an der Tür, fort.
»Uns sagt ja keiner etwas!«, pflichtete Annette ihm bei.
»Wahrscheinlich ist es das Beste, nichts herumzutratschen«, war John noch zu hören.
»Das Komitee trifft sich in zehn Minuten«, sagte Annette. »Seien Sie bitte rechtzeitig da.«
»Ich wollte sowieso gerade wieder an die Arbeit gehen«, murmelte Kate gedankenverloren. Doch nachdem die Kaffeeküche nun endlich leer war, machte sie sich noch eine Tasse Kaffee und trank sie in glückseligem Schweigen.
Kate hatte gerade noch Zeit, ihren Kalender und die Unterlagen für die Versammlung zu holen und sich auf den Weg in Hörsaal Vier zu machen. Erfreut registrierte sie, dass Annette bereits anwesend war; sie würde wohl Protokoll führen. Kate hasste es, Protokoll zu führen, weil man sich dann weniger dem Gesagten widmen konnte.
Das Meeting stellte sich als durchaus interessant heraus.
»Erster Tagesordnungspunkt: die Anthologie«, verkündete Robert Grailing, der den Vorsitz führte. »Ich glaube, darüber gibt es nicht viel zu sagen …«
»O doch!«, meldete sich Harry Bickerstaff schnell und lautstark zu Wort.
Rob sah ihn verständnisvoll, aber gelangweilt an. »Was bereitet Ihnen daran Sorgen, Harry? Soviel ich weiß, ist alles so weit klar.«
»Ich wurde nicht um einen Beitrag gebeten«, beschwerte sich Harry. Rob wirkte leicht aus der Fassung gebracht. »Außerdem hatte ich erwartet, sie herausgeben zu dürfen. Immerhin bin ich der dienstälteste Autor hier.«
»Aber Harry …«, setzte Rob an.
»Man hat mir berichtet, dass eine gewisse Senta Norris sich darum kümmert«, fuhr Harry fort, ohne sich um Rob zu kümmern. »Ich habe noch nie von der Frau gehört. Wer ist das eigentlich?«
»Tja, Henry«, meldete sich eine Frau in den Zwanzigern mit scharlachroten Fingernägeln und passend gefärbtem Haar zu Wort, »das bin wohl ich. Sie finden mein neuestes Buch Geißel der Leidenschaft in jeder Buchhandlung bei den Bestsellern. Und ich werde die Zusammenstellung der Anthologie übernehmen, falls Sie verstehen, was ich meine.«
»Die Besonderheit einer Anthologie liegt aber darin, dass sie aus Beiträgen unterschiedlicher Autoren besteht«, wandte Harry ein.
»Nicht unbedingt. Mein Agent hat uns einen echt guten Vertrag mit
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