Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
der Entwicklungsabteilung telefonierte Sadie in schmeichelhaftestem Tonfall. Kate beschloss, sich den Faltblättern zu widmen, und holte die Akte hervor. Die knallblaue Dokumentenmappe lag in der obersten Schublade. Kate hielt inne. Hatte sie sie tatsächlich dort hingelegt? Aber wer würde schon in der Korrespondenz zwischen dem College und einer Druckerei herumschnüffeln wollen? Kate vergrub sich in die Unterlagen. Sadie telefonierte noch immer, und zwar offenbar mit der gleichen Person. Kate spitzte die Ohren.
    »Sie erinnern sich doch sicher, wie schwierig es damals kurz vor Ihrem Abschluss war, in der Bibliothek ein ruhiges Plätzchen zu finden, Mr Kent«, flötete sie. »Nun, wir haben vor, einen kleinen Lesesaal anzubauen, wo es ganz ruhig ist und wo seriöse Studenten ungestört von ihren wilderen Kommilitonen arbeiten können. Nein, natürlich will das College die ausschließlich an ihren Büchern Interessierten nicht vertreiben.« Das Telefon quäkte leise. »Richtig, ich bin ebenfalls der Meinung, dass das Rudern heutzutage nicht mehr den gleichen Stellenwert hat wie zu Ihrer Zeit, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Veränderung ausschließlich auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass wir seit einiger Zeit auch weibliche Studenten ins College aufnehmen. Natürlich ist nichts gegen einen fröhlichen Spaß hier und da einzuwenden, aber …« Sadie verzog das Gesicht und hielt den Hörer ein Stück weit von ihrem Ohr entfernt, bis das Quäken aufhörte. »Darf ich Sie für eine Spende notieren? Ich darf!« Sie klang überrascht und schrieb eine Summe auf, die ziemlich viele Nullen zu enthalten schien. »O ja, das ist wirklich großzügig. Ihr Name wird natürlich auf der Messingplakette erscheinen, auf der wir unsere Wohltäter verewigen, und selbstverständlich auch in unserer Hauszeitschrift veröffentlicht. Nein, schicken Sie mir jetzt noch keinen Scheck. Ich sende Ihnen zunächst unser Informationsmaterial zu. Darin finden Sie alle notwendigen Details sowie die Angabe des Fonds, auf den Sie den Scheck ausstellen können. Vielen Dank, Mr Kent, dass Sie mir Ihre wertvolle Zeit geopfert haben. Auf Wiederhören.« Sie pfiff durch die Zähne, hakte einen Namen aus der Liste vor ihr ab und wählte erneut.
    Kate wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer eigenen Arbeit zu. Sie blätterte die Unterlagen durch, bis sie den Brief der Druckerei fand, mit dem der verbindliche Preis und das Lieferdatum vereinbart worden war. Sie stutzte, hielt den Atem an und sah noch einmal genauer hin.
    Jemand hatte eine fluoreszierende Haftnotiz an das Blatt geklebt, auf der mit grünem Filzschreiber stand:

    Neugier ist der Kate Tod

    Katze ist falsch geschrieben!, hätte sie am liebsten ausgerufen. Doch sie ahnte, dass derjenige, der diesen Zettel geschrieben hatte, sehr genau wusste, was er tat.
    Aber wer hatte ihn geschrieben? Wer hatte ihn dort hingeklebt? John? Annette? Sadie? Der Quästor? Der Rektor, die Frau des Rektors, der Sekretär? Jeder von ihnen hätte die Möglichkeit gehabt, für ein, zwei Minuten in ihr Büro zu kommen und die Haftnotiz auf den Brief von der Druckerei zu kleben. Selbst den Buchhalter, Faith Beeton und sogar Senta Norris könnte sie ihrer Liste ohne weiteres hinzufügen. Aber warum? Hatte John Clay etwa beabsichtigt, dass sie genau diesen Ordner öffnete, als er sie an die Faltblätter erinnerte? Hatten Annette und er sich gegen sie zusammengetan? Hatte der Mensch im gelben Tweed etwas gesucht oder vielleicht ihren Akten etwas hinzugefügt? Kate versuchte sich zu erinnern, ob die blaue Mappe nach Steven Charlestons Besuch schon in der obersten Schublade gelegen hatte, doch sie wusste es nicht mehr.
    Die Notiz selbst bot nur wenige Anhaltspunkte. Die Schrift war unpersönlich und nicht zuzuordnen. Der Filzschreiber konnte aus dem Schrank mit Büromaterial stammen, und jeder im Büro verfügte über fluoreszierende Haftzettel. An jedem Bildschirm und auf allen Schränken klebten solche Zettel mit irgendwelchen Notizen oder Hinweisen. Wenn sich aber die erste Warnung an Christopher Townsend gerichtet hatte, was verband Kate und ihn? Der Text war der Gleiche wie auf dem Zettel, der auf der Rechnung mit dem roten Vermerk geklebt hatte. Nur das Wort »Katze« war anders geschrieben. Und Christopher war inzwischen tot. Kate mochte den Gedanken nicht zu Ende denken.
    Aber wieso machte sie sich eigentlich solche Sorgen? Bestimmt gefiel bloß irgendwem ihr Gesicht nicht – oder ihre Stimme oder

Weitere Kostenlose Bücher