Unheil ueber Oxford
Woche«, improvisierte Kate.
»Ich bin hier der Bibliothekar. Brian Renfrew«, stellte der Geschniegelte sich vor. »Leider habe ich keine Zeit, Sie herumzuführen, denn ich muss zu einem wichtigen Meeting ins Leicester College. Aber fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.« Durch die Schwingtüren trat er in den Herbstsonnenschein hinaus.
»Diese Bücherei ist fast ebenso gut wie die in meinem College in den Staaten«, sagte Curtis bewundernd.
»Gut«, sagte Kate. »Wenn Sie ein Buch ausleihen wollen, müssen Sie sich einschreiben. Und bitte denken Sie daran, es vor Ihrer Abreise zurückzubringen.« Sie ließ die Amerikaner stehen und ging zu den Regalen mit den historischen Werken.
»Was ist mit dem Dozentengarten?«, fauchte Martha hinter ihr her.
»O ja, der ist wirklich sehr schön«, sagte Kate und griff nach einem Buch von Lawrence Stone, das sie noch nicht gelesen hatte.
»Wir wollen ihn sehen«, drängte Curtis. »Wir haben noch zwanzig Minuten Zeit, und den Garten dürfen wir nur in Begleitung von Lehrpersonal betreten.«
»Komme sofort«, sagte Kate, unterschrieb die im Buch befindliche Karte und warf sie in den dafür vorgesehenen Kasten. »Der Dozentengarten, richtig. Er wurde entworfen von einem Freund von Gertrude … äh …«
»Jekyll«, schlug Curtis vor.
»Vielleicht auch Hyde«, sagte Kate. »Wie auch immer. Die Frau stammte, glaube ich, aus Yorkshire. Der Garten wird sehr bewundert, und der heutige Gärtner heißt Dave«, fügte sie triumphierend hinzu. Wenn kümmerte schon eine längst verstorbene Gartenbauarchitektin, wenn man mit Dave Evans ein sinnvolles Gespräch über farbenprächtige Blumenbeete führen konnte?
Der Dozentengarten war eine wirklich gute Idee, fand Kate. In diesem heißen, schwülen September, wo sich die Luft selbst um zehn Uhr morgens schon zum Schneiden anfühlte, wirkte der Dozentengarten wie eine kühle Oase.
»Das gefällt mir«, erklärte Martha und zeigte mit dem Finger auf einen hübschen, grünen Strauch. »Wie heißt diese Pflanze?«
»Ich glaube, es ist eine Focaccia pendula «, sagte Kate, ohne zu erröten.
»Sicher?«, hakte Martha nach. »Der Name kommt mir recht unbekannt vor.«
»Natürlich bin ich sicher«, behauptete Kate. »Wir Engländer kennen uns in Gartendingen ausgezeichnet aus.«
»Mir gefällt an diesem Garten vor allem seine Abgeschiedenheit«, bemerkte Curtis. »Von keiner Stelle aus kann man die ganze Anlage einsehen. Man muss sie erkunden. Hinter jeder Ecke gibt es unerwartete kleine Lauben und verschwiegene Plätzchen. Selbst wenn ein Dutzend Leute hier herumliefe, würde man sie nicht unbedingt zu Gesicht bekommen.«
Wie zur Bestätigung von Curtis’ Feststellung hörten sie plötzlich Stimmen, die hinter einem dichten, grünen Busch hervordrangen.
»Ich stelle fest, dass Sie bei Ihrer Reise in die Türkei wieder einmal Glück gehabt haben«, sagte die erste Stimme. Sie kam Kate zwar bekannt vor, doch sie konnte sie nicht einordnen. Eine männliche, niveauvolle Stimme ohne erkennbaren Akzent.
»Ja, der Trip hat sich als durchaus profitabel herausgestellt«, antwortete die zweite, ebenfalls männliche Stimme. Diese erkannte Kate sofort: Sie gehörte Timothy Happle, dem Mann mit dem lackschwarzen Haar und dem sarkastischen Gesichtsausdruck. »Wir werden demnächst den ältesten Sohn meiner Gastgeber im Bartlemas College begrüßen dürfen.«
»Wie schön für uns. Hatten Sie eine angenehme Reise?«
»Die Annehmlichkeiten entsprachen voll und ganz meinen Wünschen«, erwiderte Happle.
»Gut, dann lasse ich Ihnen in den nächsten Tagen ein Memo mit der neuesten Bedarfsliste der Bibliothek zukommen«, sagte der erste Sprecher. »Es ist schön, einen so kooperativen Kollegen zu haben.«
»He«, funkte Martha dazwischen, »belauschen Sie öfter die Unterhaltungen anderer Leute?«
»Meistens«, gab Kate zu. »Es sei denn, sie sind so langweilig wie diese hier.«
Auf der anderen Seite des Gebüschs entfernten sich Schritte, doch jetzt konnte Kate die andere Stimme einordnen. Vermutlich handelte es sich um den Bibliothekar des Bartlemas, Brian Renfrew. Seine Ausrede, zu einem Meeting ins Leicester College zu müssen, war wohl eine kleine Unwahrheit gewesen. Kate fragte sich, warum er sie unnötigerweise angelogen hatte.
»So«, wandte sie sich an Curtis und Martha, »höchste Zeit für den Rosen- und den Gemüsegarten. Ich fürchte zwar, dass die Rosen ihre üppigste Blüte hinter sich haben, aber der Duft ist einfach
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