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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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hat oft wenig mit Inspiration zu tun.«
    »Tatsächlich? Ich wusste nicht, dass Sie mit dem Schreiben Ihren Lebensunterhalt verdienen«, staunte Martha. »Schreiben Sie unter eigenem Namen?«
    Als der Bus die ersten Hochhäuser und Vorstadtbetonwüsten passierte, wurde Martha schweigsam. Sie näherten sich dem Stadtzentrum von Birmingham. »So habe ich mir England nicht vorgestellt. Hier ist es ganz anders als in Oxford«, stellte sie schließlich fest.
    »Gotische Häuser aus goldfarbenem Stein gibt es hier nicht. Auch keine Türme – mit oder ohne Zinnen – und keine weiten Wiesen am Ufer eines klaren Flusses.« Kate nickte. »Ich fürchte, Birmingham ist wirklich nicht mit Oxford zu vergleichen. Dafür gibt es hier einen ganz netten Kanal, und natürlich die Symphony Hall.«
    Schließlich hielt der Bus. Kate und ihre Schützlinge stiegen aus. »Hier entlang!«, rief Kate und ging voraus. Sie folgten einer leicht ansteigenden Straße, die auf einen Betonklotz zuführte. Kate gelang es, so zu tun, als wisse sie, wo sie waren und wo sie hinmussten – glücklicherweise halfen ihr die überall in der Stadt aufgestellten Hinweisschilder.
    »Und hier haben wir die Symphony Hall«, verkündete sie, als sie ein aus viel Glas bestehendes, weißes Bauwerk erreichten. Es war mit einer Art fluoreszierender Spaghetti dekoriert. Auf der Piazza vor dem Gebäude hob eine gigantische Skulptur den Arm wie zum Gruß. Kaum hatten sie das Foyer betreten, als Kate des größten Teils ihrer Gruppe verlustig ging – man strebte in Richtung Toiletten oder Snackbar. Das kleine Trüppchen Nikotinsüchtiger ließ sich auf Sesseln in einer Ecke nieder und zündete sich Zigaretten an.
    Das Foyer wimmelte vor Menschen. Die berühmte Sängerin, deren Name Kate nicht behalten konnte, schien eine Menge Fans zu haben. Immer noch verspürte Kate nicht die geringste Lust auf Opernarien – vor allem nicht an einem so außergewöhnlich heißen Septembertag. Doch zumindest im Foyer war es kühl. Kate hoffte inständig, dass es auch im Konzertsaal eine Klimaanlage gab. Sie verspürte eine gewisse Erleichterung, der engen Atmosphäre Oxfords für eine Weile entkommen zu sein. Birmingham war eine moderne, weltoffene, europäisch orientierte Großstadt. Hier würde einem niemand nachschleichen und einen über die Brüstung eines gotischen Turms stürzen, geschweige denn geheimnisvolle, bedrohliche Nachrichten in Aktenordnern hinterlassen. Emma hatte Recht. Für diesen heißen, stickigen Nachmittag war Birmingham genau der richtige Ort. Hier konnte Kate sich entspannen. Hier war sie sicher. Endlich fühlte sie sich in der Lage, frohen Herzens zu den ihr anvertrauten Studenten zurückzukehren.
    Nie hätte sie sich träumen lassen, wie viel Zeit und Gezänk vonnöten waren, um achtundvierzig nicht sonderlich kooperative Leute in der gleichen Anzahl völlig identischer, bunter Sitze unterzubringen. Mit Dreijährigen wäre es wahrscheinlich einfacher gewesen, dachte sie. Die konnte man sich unter den Arm klemmen, sie an den vorgesehenen Platz setzen und ihnen den Mund mit Zuckerzeug stopfen. Als endlich alle saßen, ließ Kate sich in ihren eigenen Sessel fallen. Wohlweislich hatte sie sich ans Ende einer Reihe platziert, denn dort musste sie das fade Geschwätz nur eines Sitznachbarn ertragen.
    Das Konzert begann, und die Temperatur stieg. Im Programm lag ein weißer Zettel, der Kate bisher entgangen war. Die berühmte Sängerin hatte darum gebeten, die Klimaanlage abzuschalten, weil sie den Musikgenuss beeinträchtigen könnte. Schnell machte sich die Körpertemperatur der vielen Konzertbesucher in den oberen Rängen bemerkbar, wo Kate und ihre Schutzbefohlenen saßen. Schweißperlen kollerten Kates Rücken hinunter. Während unverständliche Lieder von Alban Berg über sie hinwegrauschten, versprach sie sich zur Belohnung das neueste Album von Kirsty MacColl, sobald sie nach Oxford zurückgekehrt waren. Wenigstens würde sie die Worte verstehen.
    Ihr Platz am Ende der Reihe stellte sich als ausgesprochen schlaue Wahl heraus, denn als der Applaus abgeebbt war und die Lichter angingen, sah Kate sich in der besten Ausgangsposition für einen Sprint zur nächsten Bar und einem schönen, kühlen, gespritzten Wein. Hätte sie gewusst, wie heiß es im Saal werden würde, hätte sie in ihrer Handtasche eine Flasche Wasser eingeschmuggelt. Eine kleine Stimme meldete sich in ihrem Kopf: Sollte sie sich nicht um das Wohl der ihr Anvertrauten kümmern, ehe sie sich

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