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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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selbst versorgte? Zum Teufel mit den Studenten, antwortete eine deutlich vertrautere Stimme. Sie haben es nicht besser verdient. Kate beobachtete die zu den Bars strebende Menschenmenge.
    Sie hatte es in der Tat geschafft, eine der Ersten zu sein. Schon wenige Minuten nach dem Pausenzeichen flanierte sie mit einem kühlen Getränk in der Hand über Balkone, beobachtete die Konzertbesucher und ging den Mitgliedern ihrer Gruppe tunlichst aus dem Weg. Der Ort erwies sich als einigermaßen ungeeignet für jemanden mit Höhenangst oder auch für Menschen, die lieber nicht gesehen werden wollten. Die Wände waren aus Glas, und hinter jeder Ecke warteten überraschende, manchmal Schwindel erregende Ausblicke auf Kate. Immer mit der Ruhe, mahnte sie sich. Sei froh, dass dies hier nicht der in Oxford vorherrschende, goldgelbe Stein ist, hinter dem Gefahren lauern. Und was deine Höhenangst angeht – gewöhne dich zunächst an wenige Meter, und dann erst allmählich an größere Höhen. Vorsichtig tastete sich ihr Blick zu einer der transparenten Wände. Auf der anderen Seite des Gebäudes, etwa fünfzehn Meter entfernt, lustwandelten ebenfalls Konzertbesucher. Kate hatte den Eindruck, ein Aquarium zu beobachten. Zwei Gestalten schwammen vorüber. Kate erkannte eine von ihnen. Oder? Es war ein sonnengebräunter Mann mit braunem Haar, der seinen Arm schützend um eine dunkelhaarige Frau gelegt hatte.
    Kate vergaß ihre Angst. Sie flitzte durch den Korridor und eine Treppe hinunter, um einen besseren Blick auf das Paar zu haben. Ein Kleid in Schwarz und Bronze, eine wohlbekannte, auf einen Arm gelegte Hand. Robert Grailing. Er ging neben der Frau her, ohne mit ihr zu sprechen oder sie anzusehen. Sie wirkten sehr vertraut. Kate wusste sofort, dass die Dame seine Frau war. Die Frau, die seine Interessen nicht teilte und ihrer eigenen Wege ging. Die beiden waren ein schönes Paar. Einträchtig traten sie durch die Tür und verschwanden im Auditorium.
    Kate vergaß Robert Grailing schnell, als sie Martha Hawkins entschlossen über den dicken Läufer des Korridors auf sich zukommen sah. Dank der Glaswände war sie gewarnt. Sie stürzte den letzten Schluck Wein hinunter, stellte ihr Glas auf dem nächstgelegenen Tisch ab, flitzte um eine Ecke und eine Treppe hinauf (wobei sie die Augen fest auf die Stufen geheftet hielt, um nicht schwindelig zu werden) und landete in einem anderen Stockwerk, wo sich ebenfalls Leute um eine Bar drängten. Vorsichtig näherte Kate sich dem blauen Geländer und spähte nach unten. Hatte sie Martha und die anderen Studenten abhängen können? Im Augenblick sah sie sich nicht in der Lage, auf Marthas endlose Fragen zu antworten. Genau unter ihr stand ein mit weißem Tischtuch und Kaffeetassen gedeckter Tisch. Kate bewegte sich ein Stückchen weiter, um mehr Leute sehen zu können. Zwar war das Geländer hier niedriger, doch Kate wollte ganz sichergehen, dass sie Martha entkommen war. Ja, da stand sie, mit gerunzelter Stirn und einem Glas mit rotem Inhalt in der Hand.
    In diesem Moment spürte Kate ein Prickeln zwischen den Schulterblättern, das weder mit ihrer Höhenangst zu tun hatte, noch mit der Tatsache, dass sie sich über ein niedriges Geländer lehnte. Jemand sah sie an, dessen war sie ganz sicher. Wenn sie sich jetzt ganz schnell umdrehte, würde sie vielleicht erkennen, wer es war. Vielleicht könnte sie so die Fragen nach dem Geheimnis um Chris’ Tod und den Drohanrufen auf ihrem Anrufbeantworter mit einem Schlag lösen.
    Eine starke Hand drehte Kate den Arm auf den Rücken, eine zweite presste sich mitten auf ihre Wirbelsäule. Kate erstarrte. Wenn die Hand nur ein wenig stärker drückte, würde Kate ihr Gleichgewicht nicht mehr halten können.
    »Keine Bewegung! Dreh dich nicht um!«, flüsterte eine Stimme. Männlich? Weiblich? Kate hätte es nicht sagen können.
    »Das ist meine letzte Warnung«, fuhr die Stimme fort. Die Hände zwangen sie weiter, sich über den Abgrund zu beugen. »Sieh dort hinunter. Wie fändest du es, mitten auf diesem Tisch zu landen?« Vor ihrem inneren Auge sah Kate zertrümmertes Porzellan, verschütteten Kaffee und einen zerschmetterten Körper auf dem schneeweißen Tischtuch. Und zwar unangenehm deutlich. Blut. Gebrochene Knochen. Sie schloss die Augen. Sie würde das gleiche Ende nehmen wie Chris Townsend. Sie wusste es.
    Plötzlich erklang eine Glocke, und Kate durfte sich aufrichten. Sie hörte, wie die Leute hinter ihr sich in Bewegung setzten. In einer

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