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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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wissen, was Herrn von W. eigentlich fehlte, er sei doch bis vor Kurzem noch ganz gesund gewesen. Die Pflegerin erwähnte etwas vom ständig entgleisenden Blutdruck, von starken Schmerzen, häufigem Durchfall und einem kontinuierlichen Nachlassen der Kräfte. Eine konkrete Krankheit nannte sie nicht. Was sie aber sagte, klang professionell. Wo bei sie die Erklärung für ihr profundes medizinisches Wissen gleich angeberisch mitlieferte. Ihr verstorbener Mann sei Arzt gewesen, und sie habe viele Jahre dessen Praxis geführt. Ja, dachte sich Maria Z., das kann ich mir gut vorstellen, dass du die Praxis geführt hast und nicht dein Mann. Selbstverständlich, so fuhr die Pflegerin fort, sei sie examinierte Krankenschwester und habe lange Zeit als OP -Schwester gearbeitet, und natürlich sei sie überdies examinierte Altenpflegerin, habe jahrelang einen eigenen Pflegedienst betrieben, bis ihr die Belastung zu groß wurde. Auch der Verdienst habe in keinem Verhältnis zur Arbeit gestanden, sodass sie es vorziehe, eine Privat pflege zu übernehmen. Sie verfüge jedenfalls über ein fundierteres medizinisches Wissen als so mancher Arzt, behauptete sie. Da Dr. von W. furchtbare Angst davor habe, als Pflegefall in ein Heim abgeschoben zu werden, sei sie auf sein Angebot hin bei ihm eingezogen, um ihn rund um die Uhr zu betreuen.
    »Komisch, diesbezüglich hat er sich mir gegenüber nie konkret geäußert«, sagte Maria Z. »Er hat zwar gehofft, bis zu seinem Tod in seiner Wohnung bleiben zu können und nie in ein Heim zu müssen, aber diese Hoffnung hat ja wohl jeder alte Mensch, oder?«
    Therese O. erwiderte, Dr. von W. dürfte schon seine Gründe gehabt haben, warum er ihr dieses Angebot unterbreitete. Damit brach sie das Gespräch ab.
    Maria Z. blieb nichts anderes übrig, als sich von ihrem Nachbarn zu verabschieden, wobei sie sich nicht sicher war, ob der ihren Besuch überhaupt registriert hatte. Als sie ihm stumm die knochige Hand drückte, ahnte sie nicht nur, dass hier irgendetwas nicht stimmte – sie spürte es förmlich. Auch wenn die Wohnung blitzsauber wirkte und das Bett frisch bezogen war. Na ja, dachte Maria Z., deshalb hat es wohl zwei Tage gedauert, bis ich ihn besuchen durfte. Wer weiß, wie es hier sonst aussieht.
    Dann aber fiel ihr doch noch etwas auf. Es hatte zwar nichts mit dem Zustand des Patienten direkt zu tun, doch es verstärkte ihren Argwohn. Als sie zur Wohnungstür geleitet wurde, bemerkte sie, dass eine wertvolle indische Vase fehlte, die all die Jahre auf einer antiken Anrichte im Flur gestanden hatte. Die nicht weniger wertvolle Skulptur einer indischen Göttin war ebenfalls verschwunden. Beide Kunstwerke hatte Dr. von W. besonders geliebt, und der Wert eines jeden belief sich auf mindestens 20 000 Euro.
    Maria Z. sagte kein Wort und fragte auch nicht nach dem Verbleib dieser Wertsachen. Sie ging in ihre Wohnung zurück, fest entschlossen, etwas zu unternehmen. Diese feiste, resolute Altenpflegerin wirkte auf sie alles andere als liebevoll, einfühlsam und geduldig. Du bist keine Heilige, sondern eine Scheinheilige, du bist eiskalt, berechnend und ge fährlich, sagte die resolute Lehrerin zu sich selbst. Da bei war ihr bewusst, dass ihre rein gefühlsmäßige Einschätzung und ihr tiefes Misstrauen nicht ausreichten, um amtliche Nachforschungen in Gang zu setzen. Jetzt aber hatte sie endlich etwas Objektives in der Hand, nämlich das Fehlen dieser wertvollen Gegenstände. Sie brauchte einfach nur den Verdacht zu äußern, die Sachen könnten gestohlen oder unterschlagen worden sein. Zusammen mit der offensichtlichen Verwirrtheit Dr. von W.s müsste es ausreichen, den Verdacht in Richtung einer Straftat zu lenken. Die Möglichkeit, die Gegenstände könnten nur umgeräumt worden sein und jetzt vielleicht woanders stehen, verdrängte die ehemalige Lehrerin. Sollte das wirklich der Fall sein, hatte sie sich eben geirrt.
    Der Zweck heiligt die Mittel, dachte sich Maria Z. und rief einen befreundeten Anwalt an. Der erklärte ihr, dass ihr Verdacht sehr vage und die Gefahr einer Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung nicht gänzlich ausgeschlossen sei – schließlich hätte sie ja einfach nach dem Verbleib fragen können. Andererseits sei es natürlich nicht strafbar, einer Behörde einen Verdacht mitzuteilen, solange man nicht falsche Tatsachen behauptete. Sollten tatsächlich wertvolle Gegenstände fehlen, so der Anwalt, läge sogar ein besonders schwerer Fall des Diebstahls vor, da die

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