Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Minuten, welches Bestattungs institut die Leiche abgeholt hatte. Er erklärte den Leichnam für beschlagnahmt, und noch bevor dieser im Krematorium eintraf, war der Leichenwagen umdirigiert worden zum Institut für Rechtsmedizin. Davon aber erfuhr Therese O. nichts. Sie ging davon aus, der Leichnam befinde sich bereits im Krematorium, und ahnte nicht, dass zwei Todesermittler gerade dabei waren, den toten Dr. von W. ganz genau in Augenschein zu nehmen.
Sollten die beiden Spezialisten auch nur die geringsten Auffälligkeiten feststellen, würden sie bei der Staatsanwaltschaft eine Obduktion beantragen. Nur dadurch konnte Aufschluss über die Todesursache gewonnen werden, und demzufolge auch darüber, ob Dr. von W. eines natürlichen oder unnatürlichen Todes gestorben war.
Am Körper des toten Diplomaten ließen sich keine Verletzungen feststellen, die auf äußere Gewalt einwirkung durch stumpfe oder scharfe Gegenstände hingedeutet hätten. Er war also definitiv nicht erstochen, erschlagen, erschossen, erwürgt oder erdrosselt worden. Blieben noch zwei Varianten: Er könnte vergiftet oder erstickt worden sein. Beides ist rein äußerlich nur schwer erkennbar. Was Vergiftungen betrifft, so verwendet heutzutage kaum noch jemand das einst so beliebte und geruchsintensive Zyankali oder E 605 . Was den Erstickungstod anbelangt, so kommt dieser leider öfter vor, als man gemeinhin annimmt. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die durch Fremdein wirkung entstandenen Spuren nur schwer als solche zu erkennen sind. Sie können unter Umständen auch beispielsweise bei Herzinfarkten oder Schlaganfällen entstehen. Es bedarf also umfassender Kenntnisse, um diese Unterschiede zu entdecken und zu beurteilen . Über solche verfügen Spezialisten wie Rechtsmediziner oder speziell ausgebildete Ärzte. Auch erfahrene Todesermittler sind in der Lage, Anzeichen zu erkennen, die auf ein mögliches Fremdverschulden hindeuten. In allen diesen Fällen ist dann eine Obduktion zwingend erforderlich.
Dr. von W.s Todesbescheinigung, ausgestellt von dem neuen, jungen Hausarzt, bestätigte einen »na türlichen Tod« und als Todesursache »multiples Organversagen«. Letzteres ist in etwa so aussagekräftig wie die Feststellung, ein »innerkörperlicher Vorgang« sei die Ursache gewesen.
Bekleidet war der Tote mit einem Schlafanzug. Bevor eine junge, attraktive Rechtsmedizinerin hinzukam – die es nicht nur in Krimis gibt –, entkleideten die Beamten den Leichnam, maßen und wogen ihn. Dabei stellten sie fest, dass der 1,84 Meter große Mann gerade noch 54 Kilogramm wog, also völlig abgemagert war. Was bei alten Menschen nicht selten ist und deshalb für sich allein betrachtet noch keinen Hinweis auf ein Fremdverschulden oder einen Hungertod gab. Des Weiteren schien der Mann entweder inkontinent gewesen zu sein, oder man hatte ihm einen Katheter zum Ablauf des Urins gesetzt, weil er in den letzten Monaten bettlägerig war. Der Auffangbeutel war noch am rechten unteren Schienbein befestigt und halb voll, was aber keinen Rückschluss auf den Todeszeitpunkt zuließ. Warum er nicht entfernt worden war, bevor man die Leiche abtransportierte, erschien eigen artig. Normalerweise erledigten Leichenbeschauer so etwas.
Das Obduktionsteam im Institut für Rechtsmedizin trat noch am selben Nachmittag zusammen, nachdem am Leichnam des Mannes Merkmale fest gestellt worden waren, die Hinweise auf einen Erstickungstod sein konnten.
Die Obduktion, an der Ermittler der Mordkommission teilnahmen, bestätigte den reduzierten Er nährungszustand. Darüber hinaus wurden zahlreiche Punktblutungen in den Augenlidern, den Augenbindehäuten sowie in beiden Wangenregionen und an der Zunge diagnostiziert. Die Anzahl und die Anord nung der venösen Stauungen, zum Teil gruppiert, zum Teil einzeln, ließ die Mediziner zu dem Ergebnis gelangen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem mit weicher Bedeckung verursachten Erstickungstod auszugehen sei. Andere mögliche Ursachen wie stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Hals, Brustkorbkompressionen, Kopftieflage und anderes wurden als äußerst unwahrscheinlich eingestuft, vorbehaltlich der feingeweblichen Untersuchungen, die in Auftrag gegeben wurden. Diese können näheren Aufschluss über die Art und Weise sowie die Intensität der Einwirkungen auf das Gewebe geben. Außerdem sollte ein toxikologisches Gutachten erstellt werden, um einen Vergiftungstod ausschließen oder bestätigen zu können. Allerdings dauern
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