Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
gleichgültig, als ob es ihn gar nichts anginge, wie lange sie schon ein Verhältnis mit dem anderen Mann hatte. Dann stellte er jene Fragen, die wohl alle betrogenen Ehemänner in einer solchen Situation stellen. Wer der Mann sei, woher und wie lange sie ihn schon kenne, was er hätte, was er, Manfred, nicht habe, warum sie ihm das antue, ob sie nicht an ihren Sohn dächte und ob sie sich nicht schäme, in einem solchen Ambiente zu verkehren. Manfred sprach mit vibrierender Stimme, Tränen standen ihm in den Augen.
Es folgte eine Pause, schließlich ergriff Karin G. das Wort. Sie würde diesen Mann lieben, sagte sie unverblümt, langsam, bedächtig und knallhart. Und ihn nicht mehr. Er sei ihr einfach zu langweilig. Eigentlich könne sie sich zwar nicht beklagen, aber das Leben an seiner Seite sei immer eintöniger geworden. Sie fühle sich noch nicht so alt, um jeden Abend nur vor der Glotze zu hocken, sie wolle etwas erleben. Sie erzählte ihm, dass sie den Mann in einem Tanzlokal kennengelernt habe, und die Beziehung zu ihm nicht aufgeben werde. Karin wollte sich scheiden lassen. Mit ihrem neuen Freund sei schon alles besprochen. Sie würde mit ihrem Sohn zu ihm ziehen.
Manfred. G. wurde wütend. Niemand durfte ihm jemals seinen Jungen wegnehmen! Zunächst warf er Karin vor, es gehörten immer zwei dazu, wenn es um die gemeinsame Lebensgestaltung ging. Falls sie sich wirklich so fürs Tanzen interessierte, dann hätte sie das doch nur sagen müssen, und er wäre mit ihr in einen Kurs gegangen, um es ebenfalls zu lernen . Aber mit ihm habe es ihr offenbar keinen Spaß gemacht. Sie wollte außerdem in kein Theater, in kein Konzert und schon gar nicht zu Sportveranstaltungen. Sport sei ihr ohnehin ein Graus gewesen. Deshalb würde die Langeweile in ihrem Leben auch auf ihr eigenes Konto gehen. Manfred G. steigerte sich immer mehr hinein, am Ende brüllte er sogar. Er habe sich den »Arsch aufgerissen«, um ihr und dem Sohn ein angenehmes Leben zu ermöglichen, zum Dank würde sie ihn jetzt mit einem Zuhälter betrügen. Sie benehme sich nicht nur wie eine Hure, sie sei auch eine.
»Du dreckige Nutte!«, schrie er sie an. »Wie konntest du mir das antun? Hast du denn nicht an Manuel gedacht? Und wenn du glaubst, dass du ihn mitnehmen kannst, dann irrst du dich. Huren kriegen kein Sorgerecht.«
Er war außer sich. Sie aber zeigte sich in keiner Weise beeindruckt. Sie schien sogar noch ruhiger geworden zu sein und wirkte eiskalt. Jetzt spielte sie ihren letzten Trumpf aus und sagte jenen Satz, der sie das Leben kosten sollte.
»Was willst du eigentlich, Manuel ist doch gar nicht von dir. Du bist nicht sein Vater, kapiert?« Abrupt drehte sie sich um und wandte ihm den Rücken zu.
Manfred G. ergriff ein Obstmesser, das auf dem kleinen Tischchen lag, und rammte es ihr mit aller Kraft in den Rücken. Er zog die circa zehn Zentimeter lange, schmale Klinge sofort wieder heraus und dachte im selben Moment: Mein Gott, was habe ich bloß getan? Da sah er auch schon das Blut aus der Wunde sickern. Karin schnaufte kurz, röchelte und starb. Der Stich hatte die Lunge perforiert und ließ sie wie einen Luftballon zusammenfallen, aus dem die Luft entweicht. Karin G. war innerhalb von zwei Minuten tot.
Manfred, zutiefst erschrocken über sich selbst, konnte nicht glauben, was er soeben getan hatte. Er sprang auf, drehte seine Frau auf den Rücken, beugte sich über sie, rüttelte sie, beatmete sie von Mund zu Mund und erkannte plötzlich, dass sie tot war. Panik erfasste ihn. Er sah sein Leben wie in einem Film an sich vorüberziehen. Man würde ihn einsperren, alles wäre ruiniert . Was würde dann aus Manuel werden? Außer seinen betagten Eltern hatten sie keine engen Verwandten. Niemand würde sich des Jungen annehmen, wenn er im Gefängnis saß. Er konnte beim besten Willen nicht glauben, dass er nicht Manuels Vater sein sollte. Bestimmt hatte Karin nur gelogen, um ihn zu kränken.
Er entschloss sich zu fliehen. Unbemerkt konnte er das Hotel verlassen. Es war kurz vor 21.00 Uhr. Der Mann von der Rezeption war nicht am Tresen. Das Messer hatte er mitgenommen und warf es auf dem Weg zur U-Bahn in einen Gully. Unbehelligt fuhr er nach Hause. Manuel schlief bereits. Er setzte sich in die Küche und begann bitterlich zu weinen.
Die Leiche wurde erst am nächsten Abend entdeckt. Da das Zimmer, obwohl es bis spätestens 12.00 Uhr ge räumt sein sollte, nicht benötigt wor den war, wurde es erst abends, also ziemlich exakt 24
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