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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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Niederlassung ihres Konzerns in der Nähe von Düsseldorf kennengelernt. Am Abend besuchten sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein Schützenfest und prosteten sich lustig zu. Bei einem Toilettengang fielen sie hinter dem Festzelt übereinander her und küssten sich leidenschaftlich, obwohl sie beide verheiratet waren. Martina begleitete Jörg in sein Hotelzimmer, wo sie hemmungslosen Sex ohne alle Tabus hatten. Sie verliebte sich unsterblich in ihn und ließ sich sechs Monate später von ihrem Mann scheiden, um für ihn frei zu sein.
    Fünf Jahre dauerte die Fernbeziehung. Dann trennte sich auch Jörg B. von seiner Frau, die mit beiden Kindern nach Skandinavien zurückging. Martina schöpfte Hoffnung und war zu einem sofortigen Umzug nach München bereit, wo sie ohnehin unzählige Male in den letzten Jahren die Wochenenden verbracht hatte. Dann aber kam es zu jener Schlüsselszene, die man wohl als Auslöser der Katastrophe bezeichnen muss. Jörg B. dachte gar nicht daran, mit Martina eine gemeinsame Zukunft zu planen, weil es bereits eine neue Geliebte gab. Kühl erklärte er die Beziehung zu Martina für beendet, und sie entschloss sich irgendwann, ihn zu töten. Wobei ihre Mordgedanken erst langsam Gestalt annahmen, wie einigen schriftlichen Mitteilungen zu entnehmen ist:
    Glaubst du ernsthaft, du könntest in deiner schönen Wohnung, die ich auch noch eingerichtet habe, glücklich und zufrieden mit meiner Nachfolgerin leben? Ich habe versucht, dir eine Chance zu geben! Jetzt gebe ich dir keine mehr, denn du hast mir auch nicht den Hauch einer Chance gelassen. Täusch dich nicht, dich wollte ich nie mehr zurück, denn du bist und bleibst für mich ein mieses Dreckschwein, gefühlskalt und egoistisch. Bei dir sind die Gefühle unterhalb der Gürtellinie verortet, sonst nirgendwo. Ich werde dir alles nehmen, was du mir genommen hast, und noch viel mehr.
    An eine Freundin schrieb sie:
    Mein Lebenszweck besteht nur noch darin, mich an diesem Mistkerl zu rächen. Ich habe mich noch nie so ausgenutzt gefühlt. Ich wurde noch nie so gedemütigt. Ich habe mir das sehr, sehr lange überlegt, aber ich kann an nichts anderes mehr denken.
    M artina K. plante die Ermordung ihres Exgelieb ten akribisch. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Versuch fehlschlug. Die Staatsanwaltschaft sah die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe (Eifersucht, Rache) verwirklicht und beantragte eine Verurteilung wegen versuchten Mordes, zumal auch der psychiatrische Gutachter zu dem Ergebnis kam, dass Mar tina K. zum Zeitpunkt der Tat voll schuldfähig war.
    Das Schwurgericht verurteilte sie wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Anders als die Staatsanwaltschaft sah das Gericht das Mordmerkmal der Heimtücke nicht als erfüllt an, weil Jörg B. aufgrund der Drohbriefe nicht arg- und wehrlos gewesen sei. Martina K. habe nicht aus einem niedrigen Beweggrund heraus gehandelt, weil sie eine tiefe Kränkung erleiden musste, die ihre Persönlichkeit destabilisierte, auch wenn es sich nicht um eine schwere seelische Störung im eigentlichen Sinn handelte. Trotzdem wollte das Gericht ihre Beweggründe nicht als auf »sittlich tiefster Stufe stehend« bewerten.
    »Jurisprudenz ist Auslegungssache«, lehrte uns ein Rechtsprofessor beim Studium. »Es ist keine exakte Wissenschaft wie Mathematik oder Physik«, meinte er fast entschuldigend. Recht hatte er …

Kann wirklich jeder Mensch zum Mörder werden?
    Keine Frage wurde mir auf meiner Lesereise mit meinem Buch Abgründe öfter gestellt als die, ob ich wirklich glaube, jeder Mensch könne zum Mörder werden. Dabei dürften sich die meisten Zuhörer – genau wie ich selbst – in Wahrheit gefragt haben: »Kann auch ich zum Mörder werden?« Ich habe stets darauf hingewiesen, dass man genauso gut fragen könnte, ob jeder Mensch an Krebs erkranken kann. Der Vergleich hinkt zwar – schließlich wird niemand freiwillig krank –, aber Parallelen gibt es trotzdem. Beide Übel stecken in uns, und beide können (müssen aber nicht) ausbrechen: Krebs durch äußere Einflüsse (siehe Tschernobyl oder Fukushima), ungesunde Lebensweise oder genetische Veranlagung, der Wille zu töten durch die Entartung von Habgier, Neid, Hass oder durch andere menschliche Defizite. Da sich Natur- und Geisteswissenschaften bezüglich der Frage, ob uns das Böse schon in die Wiege gelegt oder anerzogen ist, teils heftig widersprechen, scheint es am aufschlussreichsten,

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