Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
hasste.
Sogar noch in der dritten Klasse wurde René von der Mutter zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Als er endlich alleine gehen durfte, war er generell unpünktlich. Ein Trödler, der sich zu einem extrem antriebsschwachen jungen Mann entwickelte und nur aktiv wurde, wenn ihm etwas Spaß machte. Außer Malen und Zeichnen interes sierte ihn wenig. Auch Sport nicht, obwohl er Kampf spiele am PC wie kaum ein anderer beherrschte.
Bis zu seinem 17 . Lebensjahr war René ein eher schüchterner, wortkarger Junge und zudem träge und faul. Am liebsten saß er in seinem Zimmer und sah fern, hatte auch nur wenige Freunde, war fast so etwas wie ein Einzelgänger. Was wohl auch daran lag, dass es die Mutter nicht gerne sah, wenn er irgendwelche Rabauken mit nach Hause brachte, die alles schmutzig machten.
Die Realschule absolvierte René mit gerade ausreichenden Leistungen, obwohl ihm eine hohe Intelligenz bescheinigt wurde. Eine gute Lehrstelle als Kaufmann in einem großen Autohaus trat er zwar an, dann aber begannen wohl die Schwierigkeiten. René kam fast täglich zu spät zur Arbeit, wollte morgens nicht aufstehen. Wenn ihn die Mutter nicht weckte, blieb er im Bett liegen. Hatte sie ihn endlich wachgerüttelt und laut schimpfend aus dem Haus getrieben, ging er nicht zur Arbeit, sondern trieb sich vorwiegend in Spielhallen herum. Irgendwann hatte der Arbeitgeber genug von seinem Verhalten und kündigte das Lehrverhältnis. Das war der Zeitpunkt, an dem René mit Drogen in Berührung kam.
Erst konsumierte er Haschisch, gelegentlich Ecstasy, dann Kokain. Nächtelang trieb er sich herum, verkehrte vorwiegend in einem Vergnügungspark mit Dutzenden von Kneipen und Discos. Er ging nur noch Gelegenheitstätigkeiten nach, meist als Türsteher oder Aushilfskraft in Kinos, wo er Filme vorführte oder als Platzanweiser ein paar Euro verdiente. Verschiedentlich hatte er auch Beziehungen zu jungen Frauen, von denen er die eine oder andere sogar mit nach Hause nahm.
War er nicht unterwegs, spielte er bis in die frühen Morgenstunden Computer. Sein Zimmer räumte er weder auf, noch machte er es sauber. Seine ent setzte Mutter fürchtete, in der Wohnung könnte sich Ungeziefer ansiedeln. Seit Langem aß er nicht mehr gemeinsam mit seinen Eltern, sondern bediente sich wie selbstverständlich aus dem Kühlschrank. Gut gemeinte Appelle waren ihm lästig. Auf Ratschläge, die ihm der Vater vorsichtig und ängstlich zu geben versuchte, reagierte er unwirsch, bisweilen zornig und aggressiv.
Seine Mutter war verzweifelt, der Vater hilflos in seiner Nachsicht. Immer wieder steckte er sei nem Sohn heimlich Geld zu, zögerte damit dessen Absturz jedoch nur hinaus. Jedenfalls mussten die Eltern zusehen, wie es mit ihrem Sohn immer weiter bergab ging. René war keinen Argumenten zugänglich. Seine Mutter versuchte immer wieder, eine Arbeitsstelle für ihn zu finden, aber er weigerte sich, zum Vorstellungsgespräch zu erscheinen. Gut gemeinte Kritik wies er zurück und verbat sich jede Einmischung in seine Belange. Einmal warf er eine Gabel nach seiner Mutter, als diese ihn zaghaft ermahnte, sich doch um eine Arbeitsstelle zu kümmern. Mehrfach hatte er mit der Polizei zu tun, einmal war er mit acht Gramm Amphetaminen vor läufig festgenommen worden, und in diesem Zusammenhang wurde auch sein Zimmer durchsucht. Längst finanzierte er seinen Drogenkonsum, indem er selbst dealte – zwar nur im kleineren Rahmen und zur Deckung des eigenen Bedarfs, aber hin und wieder kam er deswegen mit dem Gesetz in Konflikt. Mehrfach wurde er zudem bei Diebstählen in Kaufhäusern ertappt, musste allerdings nie in Haft. Alle Verfahren wurden nach § 47 JGG ( Jugendgerichtsgesetz) ein-gestellt.
A ls René K. auf dem Weg zur Toilette am Büro vorbeikam, in dem der Vater saß, hatten sie kurzen Blickkontakt. Plötzlich überfiel den Sohn ein Weinkrampf, er stürmte auf den Vater los, dieser sprang auf, und beide fielen sich in die Arme. Gemeinsam weinten sie, und René rief immer wieder: »Bitte verzeih mir!«
Der Vater antwortete: »Ich verzeihe dir, du bist doch mein Sohn, und du wirst immer mein Sohn bleiben. Ich werde zu dir halten, egal was passiert ist.«
Während ich fassungslos danebenstand und mich fragte, wie ich wohl an seiner Stelle reagieren würde und ob ich meinem Sohn in einer solchen Situation auch verzeihen könnte, sagte René einen Satz, der mich geradezu elektrisierte: »Die hat dich doch sowieso betrogen.«
Der Vater stutzte einen
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