Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Blicken auswich und mir nicht in die Augen schauen konnte oder wollte. Auch die vor der Brust verschränkten Arme signalisierten eine Abwehrhaltung. Er spielte den Coolen, war aber innerlich aufs Äußerste angespannt und hellwach.
Aussagebereitschaft kann bei rational handelnden Tätern Teil ihres Tatplans sein. Sie wollen das Verhör nutzen, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen und den Verdacht auf jemand anderen zu lenken. Natürlich fragten wir uns, ob er unter einer Art Schock gestanden haben könnte, aber das war definitiv nicht der Fall und wurde auch später von den Sachverständigen verneint. Dazu wirkte sein Handeln viel zu überlegt und jede seiner Angaben zu durchdacht. Dass er unter keinerlei Einfluss von Drogen, Alkohol oder Medikamenten stand, wie er angab, sollte sich ebenfalls bestätigen.
Die Nachricht, dass sein Vater eben zusammengebrochen sei, weil er vom Tod seiner Frau nichts wusste, ließ ihn ebenso kalt wie die folgende Feststellung: Da nur zwei Personen in der Wohnung waren, sein Vater als Täter ausschied und von ihm fälschlicherweise beschuldigt wurde, blieb nur noch die Möglichkeit, dass er selbst der Täter war. Was bedeutete, dass hier nicht ein Ehemann seine Ehefrau umgebracht hatte, sondern ein Sohn seine Mutter.
René K. zeigte keine Regung, zuckte nur mit den Schultern. Er habe seine Mutter nicht getötet, erklärte er leichthin, als ob er wegen Diebstahls eines Kaugummis beschuldigt würde. Wenn es sein Vater nicht gewesen sei, müsse es eben ein Fremder getan haben, meinte er. Er sei jedenfalls um 11.30 Uhr aufgestanden, habe geduscht und dann ferngesehen und seine Eltern zu diesem Zeitpunkt in der Küche gehört. Gesprochen hatte er angeblich nicht mit ihnen, da seit geraumer Zeit kein Kontakt mehr zwischen ihm und seinen Eltern bestand und er ihnen möglichst aus dem Weg ging. Seit Anfang des Jahres wollten sie, dass er auszog und sich eine eigene Wohnung suchte. Er bekäme auch seit über einer Woche nichts mehr zu essen – der Grund, warum seine Mutter den Kühlschrank mit einer Kette verschloss. Heute habe er sich eine Komödie angesehen, mindestens zwei Stunden lang. Bis er plötzlich aus der Küche ein lautes Gespräch zwischen seinen Eltern gehört habe, ohne zu verstehen, worum es ging. Dann sei Ruhe gewesen, und beide seien zu ihm ins Zimmer gekommen, hätten sich vor ihm aufgebaut und ihm zu verstehen gegeben, dass sie ihm eine Woche Zeit gaben, um auszuziehen. Falls nicht, würden sie ihn vor die Tür setzen.
Sein Vater habe ihm dabei einen Stoß vor die Brust gegeben, sodass er rücklings auf sein Bett gefallen sei. Beide hätten ihn angeschrien und mit geballten Fäusten gedroht. Er erklärte sich seinen Aussagen zufolge einverstanden unter der Bedingung, dass sie ihm eine schriftliche Kündigung gaben, damit er ein Zimmer übers Sozialamt bekommen konnte. Sie hätten zugestimmt und sein Zimmer wieder verlassen. Er habe weiter ferngesehen, und während einer Werbepause sei er aufgestanden und in die Küche gegangen, um sich seine Wasserflasche aufzufüllen. Die Küchentür habe offen gestanden und schon im Flur habe er seine Mutter am Boden liegen sehen. Alles voller Blut. Sogar die Zeitung auf dem Tisch. Mit dem schnurlosen Telefon aus dem Flur sei er in sein Zimmer zurückgegangen, habe sich eingesperrt und die Polizei angerufen.
»Wie sind Sie denn zu dem Schluss gekommen, dass es Ihr Vater war, der Ihre Mutter umgebracht haben soll?«
»Das war ein spontaner Gedanke. Ich habe meine Mutter in dem ganzen Blut gesehen und sogleich den Schluss gezogen, dass mein Vater vielleicht meine Mutter umgebracht haben könnte. Ich bin seit meinem 14 . Lebensjahr von meinem Vater verprügelt worden und habe Angst vor ihm. Ich konnte zwar hören, dass im Schlafzimmer, wie immer wenn Formel 1 übertragen wird, der Fernseher lief, aber ich bin doch nicht so blöd und gehe auf ihn zu, um ihn zu fragen, ob er seine Frau umgebracht hat. Es war logisch für mich, dass ich gleich die Polizei rufe.«
Von einer Waffe im Haus wisse er nichts, er habe noch nie so etwas besessen, weder Schusswaffen noch Messer oder Ähnliches. Es war im wahrsten Sinne des Wortes unglaublich, was der junge Mann da von sich gab.
Noch einmal versuchten wir, an sein Gewissen zu appellieren. Dass er im Besitz eines Samurai schwerts war, wüssten wir bereits, auch von wem er es gekauft hatte. Parallel zu seiner Vernehmung liefen eine Reihe weiterer Befragungen von Personen aus dem Umfeld der
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