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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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Familie, beispielsweise einer Schwester der Ermordeten, die sehr viel über die Familie zu berichten wusste.
    Es stimme zwar, dass er dieses Schwert gekauft habe, räumte er ein, doch sein Vater habe es ihm abgenommen und es verwahrt, nicht er.
    Die Bemerkung, sein Vater sitze im Nebenbüro, sei nervlich am Ende, weine nur noch und mache sich trotzdem Sorgen um seinen Sohn, rief ebenso wenig die erhoffte Besinnung hervor wie der Hin weis, sein Vater habe uns gegenüber sogar jetzt noch gesagt, er würde immer zu seinem Sohn stehen, egal was passiert sei. Ob er nicht auch fände, dass es ein Gebot der Menschlichkeit sei, die Wahrheit zu sagen?
    Alles vergeblich. Der 21 -Jährige zuckte nur mit den Schultern, und sein trotziger Blick veränderte sich nicht im Geringsten. Es hatte den Anschein, als habe er eine Mauer um sich herum aufgebaut.
    Deshalb entschlossen wir uns zu einer anderen Variante, nämlich der Konfrontation mit seinem Vater. Wir wollten herausfinden, ob er auch ihm gegenüber bei seinen Anschuldigungen blieb. Das würde er nicht schaffen, hofften wir, so abgebrüht konnte er doch nicht sein. René K. wurde spontan ins Nebenzimmer gebracht.
    Der Vater saß auf seinem Stuhl, den Oberkörper nach vorne gebeugt, das Gesicht in den Händen ver graben. Wir führten seinen Sohn herein und setzten ihn auf einen Stuhl gegenüber. Der Vater schaute auf, sah seinem Sohn ins Gesicht und begann sofort zu weinen.
    »René, was hast du gemacht?«, fragte er fast flehentlich, rückte mit seinem Stuhl an ihn heran und fasste mit seinen Händen die seines Sohnes. Es war unglaublich; der Vater war weder böse noch empört oder aggressiv, er schien nur erleichtert darüber zu sein, seinen Sohn zu sehen.
    »Wieso ich?«, gab dieser zur Antwort und bemühte sich sichtlich, cool zu bleiben. Dabei schaute er seinem Vater fest ins Gesicht. Nein, er wich dessen Blick nicht aus, sondern hielt ihm stand.
    Schweigen. Der Vater schien nicht zu begreifen.
    Nun ergriff ich das Wort, wandte mich an René und forderte ihn auf, seinem Vater zu sagen, was er uns gesagt hatte.
    Und er sprach aus, was wir nicht für möglich gehalten hätten: »Das kannst ja nur du gewesen sein«, sagte er ohne die geringste Erregung in der Stimme.
    Dem Vater verschlug es die Sprache. Er ließ den Mund weit offen stehen, starrte den Sohn an, schüttelte ein paarmal den Kopf, und es dauerte, bis er ungläubig stammelnd nachfragte: »Willst du damit sagen, dass ich meine Frau umgebracht haben soll?«
    Noch immer völlig unbewegt antwortete der Sohn: »Ja.«
    Die letzten Worte dieser Begegnung sprach dann der Vater aus: »O mein Gott, René …«
    Der junge Mann wurde sofort aus dem Zimmer geführt – die Konfrontation hatte nur ein paar Mi nuten gedauert. Meine Kollegen und ich waren fassungslos. Es war einer der Momente, wo man am liebsten losgebrüllt oder diesem Widerling eine Ohrfeige verpasst hätte. Aber das macht man nicht, weil jeder erfahrene Ermittler weiß, dass man dadurch genau das Gegenteil von dem erreichen würde, was man anstrebt: die Wahrheitsfindung. Gerade in Situationen, in denen man am liebsten aus der Haut fahren möchte, muss man als Ermittler besonders ruhig und besonnen bleiben, professionelle Distanz wahren.
    Im Vernehmungszimmer hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig war es, bis die Protokollführerin bereit war und die schriftliche Vernehmung beginnen konnte.
    Noch einmal gab er zu Protokoll, mit dem Tod seiner Mutter nichts zu tun zu haben. Wort für Wort wurden seine Angaben niedergeschrieben. Er machte eine Skizze von der Wohnung und hatte sogar die Kraft, die Lage der Leiche einzuzeichnen. Er schilderte deren Auffindung, seinen Verdacht gegen den Vater und die Alarmierung der Polizei. Dann sollte er das Verhältnis zu seinen Eltern beschreiben.
    »Wie war denn Ihre Beziehung zur Mutter, was empfanden Sie?«
    »Sie war meine Mutter, aber ich hatte keinen großartigen Bezug zu ihr. Sie war sehr gehässig.«
    »Wie würden Sie denn Ihr Zusammenleben mit den Eltern beschreiben?«
    »Es war die Hölle. Ab meinem 14 . Lebensjahr wurde ich von meinem Vater regelmäßig geschla gen, schon beim geringsten Anlass. Ab meinem 16 . Lebensjahr gingen wir dann mit Fäusten aufei-nander los. Mein Vater immer zuerst auf mich, ich habe nur versucht, mich zu wehren. Die körperlichen Auseinandersetzungen dauerten bis zu meinem 20 . Geburtstag, mein Vater schlug mit Fäusten auf mich ein, ich schlug zurück. Wenn er mich

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