Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
schnappte nach Luft und klammerte ihre Hände um Kyras Arm, doch sie konnte sich diesem eisenharten Griff nicht entwenden. Verzweifelt kratze sie Kyras Haut auf, ihre Finger wurden blutig, doch Kyra empfand keinerlei Schmerzen. Es war, als hätte sie sich von allen irdischen Empfindungen gelöst. Ihr ganzes Dasein bestand nun nur aus dem Willen, Amelie zu töten. Für alles andere war kein Platz mehr.
Amelie fauchte und strampelte und blickte angsterfüllt zu Kyra auf, deren Miene hart und mitleidlos geworden war. Zwischen ihren leicht geöffneten Lippen lugten die hellen Fangzähne hervor und zum allerersten Mal leuchteten ihre Augen nicht rot, sondern weiß. Amelies Blick war schreckgeweitet, denn für sie war nun klar, dass Kyras Verbindung zu Marius damit gelöst war. Sie hatte sich völlig von ihm abgeschnitten, sowohl körperlich als auch seelisch. Sie war nun ihr eigener Herr, nicht mehr auf die Verknüpfung mit ihrem Erzeuger angewiesen.
„Ein Jammer, dass du meine Ansichten nicht teilst“, sagte Kyra tonlos. „Fahr zur Hölle.“
Und mit diesen Worten rammte sie ihre Zähne tief in Amelies Hals. Diese schrie und strampelte und versuchte, sich zu befreien, doch nichts was sie tat zeigte auch nur die geringste Wirkung. Kyras Griff glich dem eines Schraubstocks und mit unermesslicher Gier trank sie das Blut und spürte gleichzeitig, wie flammende, heiße Energie in ihren Körper strömte und sich bis in jede Zelle ausbreitete. Es berauschte ihre Sinne und vernebelte ihren Verstand, doch es war ein wunderschönes, unbeschreibliches Gefühl, welches sie mit neuer Zuversicht erfüllte. Als sie von Amelie abließ, saß diese auf ihren Knien und zuckte. Ihre Haut war überall blau und grau angelaufen, die feinen Äderchen wurden schwarz, als würde Gift durch sie hindurch strömen, die Augen lagen tief und trübe in ihren Höhlen und ihr Mund war zu einem stummen Schrei aufgerissen. Vor Kyras Augen begann Amelies Körper in sich einzusinken, als würde er ausgepumpt. Doch Kyra wusste, dass es damit noch nicht getan war.
„Danke für deine Energie“, sagte Kira lächelnd. „Ich werde sie vernünftig nutzen.“
Dann holte sie aus und schlug Amelie mit aller Kraft gegen den Kopf. Er zerbarst wie eine Wassermelone, die auf harten Asphalt fiel. Knochen und ausgetrocknetes Fleisch schleuderten durch die Gegend und Amelies Rumpf fiel mit einem dumpfen Aufprall zu Boden. Während ihr kopfloser Körper in einer grotesken Haltung dalag, schrumpelte er weiter in sich zusammen, bis sich die trockene Haut anmutig bis auf die Knochen herabsenkte und die Überreste von Amelie aussahen, wie die einer tausenden von Jahren alten Mumie.
Kyra holte tief Luft, wischte sich das Blut vom Kinn und ballte die Hände zu Fäusten. Ein gehöriger Adrenalinstoß pumpte durch ihren Körper und ließ sie erbeben. Sie spürte, wie ihre Wunden heilten und ihr Finger wieder nachwuchs, ohne das geringste Anzeichen zurückzulassen, dass er jemals weg gewesen war. Amelie war tot. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Einer ihrer Feinde war besiegt. Zwei blieben zurück.
Kyra reckte ihren ganzen Körper, dann spurtete sie die Treppen hinunter, stolperte auf halbem Weg über eine lockere Stufe und polterte in die Kammer. Sie stieß geradewegs gegen Marius, der sich anscheinend wieder erholt hatte und nun Daniel am Kragen in die Luft hob. Sie riss ihn um, Daniel fiel zu Boden und das Knäuel, welches aus Kyra und Marius bestand, kullerte quer durch den Raum. Daniel war für einen Augenblick völlig geschockt, doch dann grinste er breit. Kyra verlor keine Zeit, hieb ihre Krallen in Marius' Brust und riss ihm ein großes Stück Fleisch aus dem Körper. Blut strömte über ihre Hände und lief ihr die Arme hinab, während Marius Blut spuckte und schrie. Als Kyra sich gehetzt umblickte erkannte sie, dass Joe noch immer verbissen mit Samael kämpfte und dass dieser drauf und dran war, den Kampf zu gewinnen. Joe war bereits auf die Knie gesunken, murmelte Formeln vor sich hin und versuchte fieberhaft, Samael weiter in Schach zu halten, während Seth dabei war, einen Text aus der Ars Goetia ins Henochische zu übersetzen. Und in diesem kleinen Moment der Unachtsamkeit geschah es, dass Marius sie von hinten angriff. Zuerst spürte sie nur einen merkwürdigen, scharfen Stich in ihrer Brust. Sie fühlte, wie ihr Blut den Rücken hinunter lief und sich ihr ganzer
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