Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
ich meine Sachen zusammen und freue mich auf meinen Weg. "Ultreya, Laura!", sage ich zu mir selbst, was so viel heißt, wie "vorwärts, weiter!", was sich die Pilger früher auf dem Camino de Santiago aufmunternd zugerufen haben.
Ich verstehe, warum heute alle so früh aufgebrochen sind. Eine besonders lange Etappe von 38 Kilometern steht heute auf dem Programm.
Schön hässlich
Der Weg beginnt heute ganz entzückend und führt über den Kathedralenplatz, gelenkt von in den Boden eingelassenen Muscheln, bis zum Kloster San Marcos, wo eine alte Pilgerbrücke über den Rio Bernesga führt. Dann ist es vorbei mit der Träumerei auf altem Pilgerweg. Die Schnellstraße N 120 hat mich wieder und ich atme unwillig den Gestank der Abgase ein und ersehe aus meinem Pilgerführer, dass der Weg heute länger auf dieser Straße bleibt. Es gibt eine Alternativroute, die aber ebenso parallel zur Hauptstraße verläuft. Ich füge mich. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich schreite noch schneller als sonst ausund will nur wieder raus in die Natur, runter von dieser stark befahrenen, lauten Straße. Nach über drei Stunden bin ich froh und dankbar, dass der Ort Oncina de la Valdocina auftaucht, denn hier biegt der Camino in einen Fuhrweg ein und ich kann endlich dem Asphalt, dem Gestank und den donnernden Lastwagen entrinnen. Ich werde mit einer wild bewachsenen Hochfläche mit Zwergstrauchheide, Lavendel und Ginster belohnt. Im Hintergrund zeigt sich das Profil der Montes de León, die ich in ein paar Tagen überschreiten werde.
Nachdem ich meine Flasche mit frischem Brunnenwasser gefüllt habe, geht es weiter nach Villar de Mazarife, leider wieder über asphaltierte Straßen, die aber nicht sehr befahren sind. Nur die Füße werden schnell müde und nach sechseinhalb Stunden reicht es mir für heute und ich beschließe, die Herberge am Ort zu nutzen und erst morgen weiterzugehen. Ein klitzekleines Museum, das von einem alten Mann mit weißem Rauschebart beaufsichtigt wird, kann ich mir so in aller Ruhe ansehen. Der Alte drückt mir einen besonderen Stempel in mein Büchlein und malt daneben seinen eigenen "Stempel" dazu. Er erzählt mir von der Geschichte der mittelalterlichen Pilger, wie mühsam der Weg früher war und wie schlecht die Ausrüstung im Gegensatz zu heute. Er empfiehlt mir, die Pfarrkirche zu besuchen und die herrlichen Mosaiken eines ortsansässigen Künstlers zu betrachten. Ich freue mich über das herzliche Gespräch und darüber, dass ich doch so einiges verstehe von seinem Spanisch. Wir verabschieden uns wie Freunde mit einer Umarmung und ich wende mich der Kirche des Apostels Jakobus zu. Storchennester belagern jeden Absatz des abgestuften Glockenturms genauso, wie jeden hohen Mast am Weg. Wie freue ich mich, dass ich das erste Mal in meinem Leben Störche sehe. Ich, als alte Tiernärrin, bin begeistert, als eine Störchin in ihrem Nest den Kopf zurücklegt und mit dem Schnabel klappert. Ich entschuldige mich in Gedanken bei allen Künstlern des Ortes, aber wenn ich Tiere das erste Mal live erlebe, bringt das eine größere Begeisterung in mir hervor, als die herrlichsten Mosaiken.
Die Pilgerherberge in Mazarife ist sehr einfach, aber mit Atmosphäre. Sie ist in einem alten Haus mit romantischem Innenhof und einer blumengeschmückten Veranda untergebracht. Ich fühle mich hier sofort wohl und es macht mir auch nichts aus, dass die Schlafplätze aus Matratzen, die auf dem Boden liegen, bestehen. Es treffen ein paar Österreicher ein, die ich kenne und wir begrüßen uns herzlich und kochen zusammen Spaghetti. Das Leben ist schön! Das Essen schmeckt köstlich und der Wein, den irgendjemand organisiert hat, göttlich.
Räucherstäbchen, Musik und Eistee
Ich gehe heute leichtfüßig und glücklich meinen einsamen Weg. Ich genieße das abwechslungsreiche Naturschauspiel, das mich erst auf einen Pass, üppig bewachsen mit Zistrosensträuchern, dann durch eine Mulde mit einem Feuchtgebiet führt. Ich wandere fröhlich durch einen Steineichenwald und erblicke, als ich wieder über weite Felder stapfe, ein einsames Bauernhaus. Kaum dass ich daran denke, wie hungrig ich bin, spricht mich der Bauer an und lädt mich gestikulierend in sein Haus ein. Ein zähnefletschender Hund stellt sich mir im Hof in den Weg und ich bleibe ängstlich stehen. Normalerweise freut es mich, wenn ein Hund ausnahmsweise einmal nicht an einer kurzen Kette hängt, wie es sonst hier üblich ist. Der Bauer reagiert nicht sofort und ich
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