Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
Wäsche quietschsauber sind, springe ich die Treppen nach unten, um möglichst lange in dem Genuss der Musik und des Duftes der Räucherstäbchen zu schwelgen. In diesem herrlich lichten Raum könnte ich es länger aushalten. Aber ich entscheide mich, die letzten spätnachmittäglichen Sonnenstrahlen zu genießen und lege mich mit einem Eistee bewaffnet in einen der Liegestühle in dem Innenhof. Eine wohlige Müdigkeit breitet sich in mir aus und ich döse glücklich und etwas benommen vor mich hin. Ein leichter Klang, wie von einer Klangschale weckt mich und ich sehe Gilberto in der Tür stehen. Freundlich winkt er mich zu sich und sagt: "Hora de comer!"
Oh, an Essen hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich war wohl eingeschlafen. Aber jetzt, da der Essensduft den Duft der Räucherstäbchen abgelöst hat, verspüre ich sofort den Hunger.
Ich folge Gilberto in den Raum wo an einem langen, schweren Holztisch drei Männer sitzen und mich mit "bonsoir, belle pèlerine!" begrüßen. Heute war also mein Sprachgeschick gefordert. Ich krame mein Schulfranzösisch hervor und antworte "bonsoir, copains!" Es gibt ein reichhaltiges Essen, das für mindestens zehn Pilger gereicht hätte und ich lange richtig zu. Ein schöner Rotwein zum Essen hätte noch gut zu meinem Luxusgefühl gepasst. Ich palavere mit den drei Franzosen mit Händen und Füssen und bald bin ich zu müde, um mich auf die für mich anstrengende Kommunikation zu konzentrieren. Ich verabschiede mich von den Dreien, die den Abend gerne noch weiter ausgedehnt hätten, und verschwinde in mein tolles Bett. Glücklich und dankbar spreche ich mein kurzes Dankgebet, das heute in der Tat nur aus einem müde gestammelten "danke, Santiago" besteht und falle auf der Stelle in einen tiefen Schlaf.
Das gibt's doch nicht!
Ich wache auf. Einfach, weil ich ausgeschlafen bin. Oh, wie ich das in den letzten Herbergen vermisst habe, aus denen wir Pilger frühmorgens mehr oder weniger unsanft rausgeschmissen wurden. Ich dehne und strecke mich genüsslich. Ich überlege, wie spät es wohl ist. Es ist mir egal. Ich kuschle mich noch einmal in meinen Schlafsack und denke darüber nach, wie viel Glück ich doch habe. Danke, Santiago! Jetzt aber raus! Ich habe Lust auf den neuen Tag.
Das Fünf-Sterne-Erlebnis wird hier mit einem Frühstück abgerundet, das in dem, mir so lieb gewordenen, lichten Raum auf mich wartet. Die drei französischen Männer Jacques, Luc und "Monsieur Zinzin" (seinen Namen habe ich vergessen) sitzen auch noch am Tisch und ich werde herzlich und lautstark von ihnen begrüßt.
Sie bieten mir an, auf mich zu warten und ich freue mich darauf, mit ihnen gemeinsam aufzubrechen. Gilberto weiß gar nicht, wie ihm geschieht, als ich ihm zum Abschied um den Hals falle und ihm versichere, er habe die schönste Herberge am ganzen Weg. Ich danke ihm aus ganzem Herzen und spüre selbst, wie gut es mir getan hat, einmal so herrlich ausspannen zu können, das stilvolle Ambiente und den liebevollen Service zu genießen.
Französisch plappernd gehen wir los. Ich überlasse mich der Führung der Männer und schätze es, mir einmal keine Gedanken darüber machen zu müssen, ob ich auf dem rechten Weg bin. Ich liebe es, wenn für mich gesorgt wird. Plötzlich bleibt unser kleiner Trupp stehen und ich sehe Jacques sich am Kopf kratzen und mit Luc streiten. Auch Monsieur "sans nom" schaut ratlos aus der Wäsche. Wir haben uns verlaufen. Ich pruste los. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Ich habe einen so miserablen Orientierungssinn und habe mich den ganzen Weg noch nicht einmal verlaufen. Und einmal verlasse ich mich auf die Führung gestandener Männer, schon geht's schief. Nein, ich bin nicht sauer. Ich habe einen Heidenspaß! Besonders deshalb, weil Luc und Jacques so verdrießlich schauen, wie kleine Buben, die etwas angestellt haben. Ich muntere die Männer auf und schlage augenzwinkernd vor, die Führung zu übernehmen.
Bald finden wir die verlorenen gelben Pfeile und sind damit wieder auf dem richtigen Weg. Durch weite Felder kommen wir in das Dorf Villares de Orbigo. Der Ort liegt im Tal unter den Hängen des Páramo, den wir als nächstes besteigen werden. Die Belohnung ist ein herrlicher Blick bis hinüber zu den Montes de León. Wir wandern durch Steineichenwald und durchqueren zwei Mulden, bis wir zum Crucero de San Toribio, einem alten Steinkreuz, kommen, von wo aus wir einen ersten Blick auf Astorga haben.
Ich freue mich auf die römische Stadt. Römische
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