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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Milde
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Dienst als Herbergsvater tut. Er kann Reiki, sagt er und ich frage ihn, ob er etwas für meine schmerzende Hüfte tun kann. Er bittet mich in sein Zimmer, das Büro und Schlafraum gleichzeitig für ihn ist. Er fordert mich auf, ruhig und tief zu atmen und ich entspanne mich unter der Wärme seiner Hände. Wir plaudern noch und er fragt mich, ob ich ihn die kommenden Jahre wieder besuchen käme. Jetzt bin ich jedoch erst einmal froh, nach Santiago zu kommen und mag mir nicht vorstellen, den ganzen Weg noch einmal zu gehen. Ich sage ihm, dass mir der Rucksack so zu schaffen mache und er bietet mir an, einige Sachen vorauszuschicken, postlagernd nach Santiago. Dieses Angebot nehme ich dankbar an und packe in eine Schachtel, die mir Lobo gibt nun doch meine Bergschuhe und einen dickeren Pullover, den ich hoffentlich nicht mehr brauche. Ich würde auch in Wandersandalen über die Berge kommen. Aus meinem Wanderführer reiße ich die Seiten des Weges, den ich schon hinter mir habe, heraus und lege sie dazu. 120 Seiten von 188 habe ich schon bewältigt. Das ist Gewicht, das ich nicht mehr tragen muss. 22 Tage von 35 bin ich schon gelaufen. Das fühlt sich großartig an. Ich umarme Lobo und fühle mich so herrlich umsorgt.
    Beschwingt begebe ich mich auf die Suche nach meiner Kammer und lege mich glücklich und durch Lobos wunderbare Reiki Behandlung wohlig entspannt auf meine Matratze und schlafe augenblicklich ein. Allerdings werde ich irgendwann nachts, es ist stockdunkel, wach, weil sich jemand fest an mich drückt. Ich schrecke hoch. „Bschsch…“ flüstert Marga, „ich bin’s nur“ und streicht mir beruhigend übers Gesicht. Sie kuschelt sich fest an mich, duldet keinen Widerspruch und ich bin zu müde, um mir länger Gedanken zu machen. Ich finde ihre Nähe auch schön und schlafe schnell wieder ein.
    Als ich aufwache, bin ich allein in der Kammer. Sicher sind alle schon ausgeflogen. Ich rapple mich auf, reibe mir den Schlaf aus den Augen und fühle mich ausgeruht und erholt. Ich packe meine sieben Sachen zusammen, schnalle die Isomatte auf den Rucksack und suche Lobo, den ich in seinem Zimmer finde. Er verabschiedet sich von mir mit den Worten: „Es sticht, dass Du gehst." Und das versetzt auch mir einen kleinen Stich. Er bittet mich, wie schon zuvor andere Herbergseltern, mein Lachen zu bewahren und auf den Weg zu bringen. Er nimmt meine Hand und legt mir einen Ring hinein. „Der ist für Dich, der wird Dich beschützen und Dich an mich erinnern. Du hast einen Platz in meinem Herzen gewonnen.“ Seine Worte sind warm und wohltuend. Wir umarmen uns und er wünscht mir „buon camino“. Ich mache mich auf den Weg, leicht und beschwingt, mit meinem neuen Talisman, dem viel zu großen Ring von Lobo an meinem Daumen, den luftigen Sandalen an den Füßen und mit meinem leichter gewordenen Rucksack auf dem Rücken.

León, die Kathedralenstadt
    Heute laufe ich in Vorfreude auf die Stadt. Sie soll bezaubernd und reich an Kunstschätzen sein, darunter eine der schönsten gotischen Kathedralen Spaniens. Und es ist warm. Angenehm warm und meine Laune ist bestens. Ich schließe mich ein paar Pilgern an, die, wie sich herausstellt, aus Österreich kommen. Ferdinand erzählt von seinen Erlebnissen in einer Schwitzhütte und ich kann mir nichts rechtes darunter vorstellen, nehme mir jedoch fest vor, das einmal auszuprobieren. Es scheint sehr besonders zu sein. Anders als ein Saunagang in einer finnischen Saune. Er singt mir ein Lied vor: „Mutter Erde trage mich!" Es gefällt mir und ich werde es singen, wenn der Weg wieder einmal herausfordernd ist.
    Als ob ich eine Herausforderung heraufbeschworen hätte, mündet der Pilgerweg auf die N120, eine stark von Lastwagen befahrene Bundesstraße. Auf der Brücke über den Rio Ega wird es lebensgefährlich eng. Keine Abgrenzung zwischen Fußweg und Straße schützt die Pilger vor den verrückten Lastwagenfahrern, die sich einen Spaß daraus machen, Pilger zu „jagen“. Zum Singen ist mir nicht zu Mute. Immer wieder muss ich stehen bleiben und mich seitlich zur Straße eng an den Rand drängen. Endlich, nach dem Ort Puente de Villarente, zweigt eine Staubstraße von der Fernstraße weg und aufatmend wandere ich weiter durch Wiesen und erhole mich von dieser Anstrengung.
    Wir kommen in León in strahlend schönem Sonnenschein an und setzen uns erst einmal in ein Straßencafé. Wir haben den ganzen Nachmittag Zeit, uns die Stadt anzusehen. Es fühlt sich für mich an wie

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