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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Milde
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wage mich nicht zu rühren. Endlich ruft er seinen Hund ab und ich bin froh, als ich im Hauseingang stehe. Ich muss mich ducken, um durch die niedrige Tür in die Stube zu treten. Dort empfängt mich wortreich eine ältere Frau in einer nicht mehr ganz sauberen Kittelschürze, zieht mich an der Hand zum Tisch und drückt mich beherzt auf einen Stuhl. Ich muss darüber lachen, wie resolut sie ist. Sie stellt mir einen Becher mit Milch und ein paar Kekse hin und ich schäme mich, weil ich viel lieber eine Brotzeit mit Speck und Brot gehabt hätte. Dann schält sie mir eine Orange. Diese fürsorgliche Geste berührt mich tief. Ich danke ihr mit Tränen in den Augen, die sie anscheinend gar nicht zu deuten vermag. Soviel ich verstehe ist es für die Bauersleute, die Viehwirtschaft betreiben, nicht möglich, den Jakobsweg zu pilgern. Wenn sie aber die Pilger auf dem Weg freundlich bewirten und ihnen Zuflucht gewähren, bekommen auch sie den Segen von Santiago. Ich bin sicher, dass sie den Segen bekommen! Ich fühle mich gestärkt und wieder einmal mehr darin bestätigt, alles zu erhalten, was ich brauche, genau zur richtigen Zeit. Was für ein herzlicher Abschied! Ihre rauen Hände wollen die meinen gar nicht mehr loslassen, so lange schüttelt sie sie und sagt immer wieder "boun camino, querida mia, buon camino!" Tief berührt und dankbar ziehe ich wieder meines Weges. Dankbar auch dafür, dass der Hund vom Bauern am Nackenfell gehalten wird, während ich mich winkend von ihm verabschiede, begleitet von wildem Gebell.
    Heute meint es der Weg ganz besonders gut mit mir. In Hospital de Orbigo angekommen, begrüßt mich eine sehr lange, sehr alte Brücke, die mit inzwischen ausgetretenen Quadern gepflastert ist, wie ich es so liebe. Ich wandle bewusst auf dem alten Pilgerpfad und fühle mich so besonders. Das Pilgergefühl in mir wird heute verstärkt, weil ich ganz allein auf dem Weg ins Dorf bin und ich fühle wieder diese besondere Stimmung, die ich auf dem Weg schon kennengelernt habe, wenn ich ein Stück des alten, ausgetretenen Pilgerwegs beschritt.
    Die grob gepflasterte Gasse zieht sich geradewegs von der steinernen Brücke, der Puente del Paso, ins Dorf. Wenige Menschen sind hier unterwegs. Ich fühle mich ins Mittelalter zurück versetzt. Wohlig gebe ich mich dieser eigenen Atmosphäre hin. Verträumt schlendere ich über den Dorfplatz. Plötzlich schrecke ich hoch: Ein Mann winkt mir aus einer offenen Türe zu, laut rufend: "Refugio abierto! Todo nuevo!" Ich komme seiner Aufforderung nach und trete in einen hellen, weiten Raum in dem mich ein Duft von Sandelholz und meditative Musik empfängt. Wo bin ich denn hier gelandet? Mitten im Paradies? Der freundliche junge Mann reicht mir einen hohen Becher mit Eistee und ich kann es kaum glauben, dass dies eine Pilgerherberge sein soll. Aber er bestätigt mir, dass ich hier richtig sei und nennt mir auch den Preis, der ebenfalls einer Herberge angemessen ist. Ich jauchze innerlich. Räucherstäbchen, leise Musik und solch einen eleganten, großzügigen Raum inklusive Bewirtung mit köstlichem Eistee hätte ich auf meinem Jakobsweg nicht erwartet. Eine hohe Glastür führt in den patio interior, der mit Liegestühlen zum Verweilen einlädt. Sicher erwache ich gleich aus meinem Traum, zumal ich die einzige Pilgerin hier zu sein scheine. Der junge Herbergsvater stellt sich als Gilberto vor und zeigt mir den Schlafraum. Richtige Holzbetten! Ich fasse es nicht! Jubelnd nehme ich ein Bett am Fenster in einer Nische in Beschlag und muss über mein Ritual lachen, mir nach Möglichkeit ein Bett mit Frischluftzufuhr zu sichern. Hier hatte ich einen riesigen Raum mit bestimmt 30 Betten ganz für mich, wie es schien. Jedenfalls war ich bis jetzt hier die Alleinherrscherin. Welch ein wunderbares Gefühl! Nachdem ich mein Bett für die Nacht zurechtgemacht hatte, ebenfalls ein jeden Tag wiederkehrendes Ritual, schnappe ich meinen Waschbeutel und hüpfe in Badeschlappen nach nebenan ins Bad. Hier würde ich garantiert heiß duschen und meine Wäsche mit warmem Wasser waschen können. Wow, was für ein schönes, großzügiges, helles Bad. Es gibt sogar Klopapier, was auf dem Camino eine schätzenswerte Ressource ist. Jetzt war das Luxusfeeling perfekt. Ich lasse das heiße Wasser auf mich prasseln und spare ausnahmsweise nicht damit. Diesmal wartete nicht eine Schlange verschwitzter Pilger sehnsüchtig darauf, ebenfalls unter die ersehnte, heiße Dusche zu kommen. Nachdem ich und meine

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