Unheimliche Begegnungen (German Edition)
den Spaziergängern nicht genutzt wurde, denn auf ihr befand sich fast immer Vogelkot. Der war für die drei Freunde die Garantie für einen freien Platz, denn wer ließ sich schon gerne auf den Kopf „kleckern“.
„Wollen wir um die Wette radeln?“, fragte Vinc, nachdem sie sich kurz über Toms Traum unterhalten hatten.
„Du gewinnst doch immer“, antwortete Tom etwas missmutig.
„Na gut, ich gebe dir zehn Minuten Vorsprung“, schlug Vinc vor.
„Da sind wir doch schon bald da“, Tom stockte und meinte weiter „Eh, verscheißern kann ich mich alleine.“
Der Weg führte durch den Stadtpark und endete kurz vor ihrer Schule. Sie radelten durch die engen Gassen der Altstadt, die dem Aussehen des Mittelalters entsprachen. Es fehlten nur ein paar Frauen, die sich aus dem Fenster lehnten und mit den Nachbarn gegenüber Plauderstündchen hielten. Wenn man die Augen schloss, meinte man sogar, mit etwas Fantasie, Pferdegetrappel auf dem Kopfsteinpflaster zu hören. Hier befand sich auch der Zauberladen von Herrn König, in dem Scherzartikel, aber auch Artikel für Hobbyzauberer angeboten wurde. Die Freunde vermuteten, als sie einst die Zauberstäbe im Waldhaus gefunden hatten, dass sie hier gekauft wurden, und sie jemand dort vergessen hatte. Herr Königs Laden war nicht nur interessant, sondern steckte auch voller Geheimnisse. Aber davon später mehr, denn er spielt eine nicht unerhebliche Rolle.
„Heute Nacht war ein ganz schöner Sturm. Wäre gut, wenn wir schnell einmal am Waldhaus vorbeiradeln und nachsehen, ob es noch steht und nicht zu einem fliegenden Haus geworden ist“, schlug Vinc vor.
Tom nickte.
Um das Waldhaus wob sich eine Sage. Demnach sollte im Mittelalter einmal der Räuber Leichtweiß in ihm gehaust haben. Er fristete sein Dasein mit Raubzügen, tat aber angeblich niemand etwas zuleide und trotzdem wurde er gehängt. Die Stadt wollte ursprünglich diese Bude als Touristenmagnet benutzen, doch das Instandhalten kostete zu viel und Besucher zog es auch nicht an. So wollte man es abreißen, die drei Freunde bettelten aber so lange, bis sie es als ihr Klubhaus benutzen konnten. Allerdings nur unter der Bedingung, es so zu pflegen, dass es nicht wegen eines Einsturzes gefährlich für sie werden konnte. So kontrollierte der Förster ständig den Zustand. Doch sie hielten es mit Hingabe in guter Beschaffenheit, so dass der Weidmann bei jeder Prüfung zufrieden war.
Als sie dort angelangt waren, sahen sie, dass sich ein paar Bretter gelöst hatten. Da der Wetterbericht keine weiteren Gewitter, sondern einen sonnigen Tag vorhersagte, nahmen sie sich vor, am Nachmittag die nötigen Reparaturen auszuführen. Das Waldhaus hatte die vielen Stürme stets überlebt, weil es große Bäume ringsum schützten und außerdem fing die Felsengruppe die Böen auf.
Sie bestand aus mehreren unterschiedlichen großen Felsen. Wobei der größte die Höhe eines vierstöckigen Hauses besaß und ein Wasserfall herabstürzte, wobei die Wassermassen im Boden versanken. Niemand wusste, wohin es dann weiter floss.
„Zeig mir deine Höhle!“, forderte Vinc, als sie an einem der Felsen standen.
Tom schloss die Augen.
„Willst du ein Nickerchen machen“, frotzelte Vinc.
„Sei still! Ich lasse den Traum noch einmal an mir vorüberziehen.“
„Ich denke, du warst heute Nacht hier?“
Tom schien etwas verlegen zu sein, als er antwortete „Das schon, aber ich kann mich nicht mehr so genau erinnern.“
„Wow“, meinte Vinc und deutete zu einem Baum am Felsen, „der hat den Sturm nicht überlebt, er war wohl schon zu alt.“
„Kannst du nicht mal die Klappe halten, damit ich nachdenken kann.“
„Das sieht aus wie ein Höhleneingang!“, rief Vinc begeistert, nachdem er zum Baum gegangen war.
Tom stand noch immer auf demselben Fleck und hielt die Augen geschlossen.
„Hey Nachtschwärmer! Hier ist eine Höhle!“, rief Vinc.
Tom riss die Augen auf und sah seinen Kumpel winken. Als er bei ihm war, erblickte auch er den Eingang.
„Die hat der Baum freigegeben. Hinter ihn schien bisher niemand geschaut zu haben“, stellte Vinc fest.
„Genau, der stand zu dicht am Felsen. Der muss uralt gewesen sein. Bei der Dicke seines Stammes ist es kein Wunder, dass keiner diesen Eingang sah. Er hat ihn im Laufe der Jahrhunderte zugewachsen“, sagte Tom hocherfreut.
Sie traten zögerlich an den Eingang.
„Der soll sich wieder schließen? Wie denn? Richtet sich der Baum wieder auf?“, fragte Vinc und grinste
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