Unheimliche Begegnungen (German Edition)
dabei.
Tom gab darauf keine Antwort, sondern stellte nur fest: „Ohne Licht können wir da nicht rein. Ich habe vergessen, eine Taschenlampe mitzunehmen.“
„Hallo Geistesblitz hol mich nicht ein. Du kannst ja mal paar Leuchtkäfer einfangen, dann haben wir Licht“, spöttelte Vinc. Sie taten es gerne, sich gegenseitig hochzuziehen, doch das geschah mehr aus Jux, denn ernsthaft bekamen sie deswegen nie Streit. Dafür war die Bande ihrer Freundschaft zu fest.
Vinc holte eine Taschenlampe aus dem Schulsack.
„Wie spät ist es?“, wollte Tom wissen.
„Schau doch auf dein Handy“, meinte Vinc.
„Habe ich auch vergessen“, antwortete Tom.
„Aber deine Hosen hast du angezogen?“
„Wie spät ist es, nun?“, fragte Tom noch einmal ungeduldig.
„Genau sechs Uhr fünfzig.“
„Dann müssen wir uns beeilen. In zehn Minuten schließt sich die Höhle“, sagte Tom mit erregter Stimme.
Vinc lächelte, bemerkte aber nichts dazu. Ihm kam das Getue von Tom albern vor. Wie konnte sein Freund in diesem modernen und aufgeklärten Zeitalter noch an so ein Hirngespinst glauben. Doch, dass Toms Traum sich bewahrheitete, eine Höhle vorzufinden, ließ Vinc einen leichten Schauer über den Rücken laufen. Nur glaubte er nicht an ein Wunder in der Form des Verschlusses dieses Eingangs. Er hielt den Traum eher für einen Zufall. Während er voranging und in die Höhle leuchtete, fragte er Tom: „Konntest du in deinem Traum nicht sehen, wie sich die Höhle schloss?“
„Nee, aber deine blöde Frage hören“, entgegnete er spitzbübisch.
Zunächst leuchtete Vinc vom Eingang in die Grotte hinein. Obwohl seine Taschenlampe Halogenlicht hatte, konnte er nur erkennen, dass die Höhle tief ins Erdreich gehen musste, denn der Strahl verlor sich im endlosen.
„Die zu erforschen brauchen wir Tage. Wenn die sich tatsächlich …“ Vinc schaute auf sein Handy, „in sieben Minuten schließt, dann haben wir schlechte Karten sie in Augenschein zu nehmen.“
„Leuchte mal nach rechts“, ordnete Tom an.
Der Strahl fing etwas Glänzendes ein. Sie gingen zu dem Gegenstand.
„Das ist ein Dolch!“, rief Vinc begeistert. „Und was für ein schöner“, fügte er hinzu.
„Ich habe auch was!“, rief ebenfalls Tom hingerissen.
Etwas abseits des Lichtscheins, aber dennoch erkennbar, fand Tom etwas Eigenartiges. Als er es aufnahm, hörten sie über sich ein Rumpeln. Tom steckte das Ding in die Tasche.
„Wir müssen hier raus!“, rief er Vinc zu.
„Da ist noch etwas!“ Vinc deutete auf ein weiteres Objekt, das hell erstrahlte.
Das Poltern wurde heftiger.
Vinc schaute auf die Zeit. „Noch zwei Minuten. Raus hier!“, schrie er.
Sie stürmten zum Ausgang. Als sie ein paar Meter von dem Höhleneingang entfernt waren, hörten sie in der Ferne die Rathausuhr schlagen.
„… sechs, sieben“, zählte Tom die letzten zwei Schläge laut mit.
Da geschah etwas Seltsames. Der Berg kam ins Rutschen und Geröllmassen fielen herab und verschlossen den Eingang der Höhle.
Vinc Knie zitterten, als er daran dachte, Tom beinahe nicht geglaubt zu haben. Sie wären wohl jetzt verschüttet. Zwar hatte er sein Handy mit, aber ob es aus der Höhle senden konnte, war fraglich, denn in der Nähe der Felsengruppe war stets ein Funkloch.
„Wir haben noch Zeit bis zum Unterricht. Wir könnten noch ins Waldhaus gehen“, schlug Vinc vor.
„Um was zu reparieren, habe ich jetzt keinen Bock.“ Tom sagte es mit schleppendem Ton, denn ihm war die Aufregung auf die Stimme geschlagen.
Dennoch gingen sie noch einmal dorthin, denn es befand sich nicht weit von der Felsengruppe. Da sie ja erst um zehn Uhr Unterricht hatten, konnten sie ein wenig drinnen verweilen und sich die Gegenstände genauer betrachten.
Im Waldhaus war es duster. Weil immer wieder eingestiegen wurde, hatten sie die Fenster durch feste Bretter ersetzt. Obwohl nichts zu holen war, denn das Inventar bestand nur aus einem Tisch mit zwei Bänken davor, einem alten Schrank und einem Bett.
Die durch das Laub dringende Sonne zeigte ihnen die Ritzen, die mit der Zeit entstanden waren und die sie vor Beginn der kalten Jahreszeit abdichten mussten.
Tom wollte eine Kerze anzünden, die auf dem schweren hölzernen Tisch stand, doch Vinc meinte, es sei hell genug. Mit der Kerze mussten sie vorsichtig umgehen, denn wie leicht konnte durch Unachtsamkeit ein Brand entstehen, vor allem in dieser heißen Jahreszeit, wo die Bretter ausgetrocknet waren. Sie achteten stets darauf, dass die
Weitere Kostenlose Bücher