Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
Kühleborn, und dieser Überdruss steigert sich noch durch seine wachsende Zuneigung zu Bertalda, die, wie sich herausstellt, die Fischerstochter ist, mit der Undine vertauscht wurde. Schließlich lässt er sich auf einer Donaufahrt von einer unschuldigen Handlung seiner ergebenen Frau dazu verleiten, die zornigen Worte auszusprechen, die Undine wieder in ihr übernatürliches Element verbannen; aus diesem kann sie, dem Gesetz ihrer Art gemäß, nur noch einmal zurückkehren, und zwar - ob sie will oder nicht - um ihn zu töten, falls er jemals ihrem Andenken untreu werden sollte. Als Huldbrand sich Bertalda vermählen will, kehrt Undine zurück, um ihre traurige Pflicht zu erfüllen, und unter Tränen nimmt sie ihm das Leben. Als er bei seinen Vorfahren auf dem Dorffriedhof bestattet wird, erscheint unter den Trauernden eine schneeweiße weibliche Gestalt, doch nach dem Gebet wird sie nicht mehr gesehen. An ihrer Stelle sieht man nun einen kleinen Silberquell entspringen, der murmelnd fast das ganze Grab umspielt und sich dann in einen angrenzenden See ergießt. Die Dorfbewohner zeigen diesen Quell bis zum heutigen Tag und erzählen, dass Undine und ihr Huldbrand damit im Tode vereint seien. Viele Passagen und atmosphärische Züge dieser Erzählung weisen Fouque als vollendeten Künstler auf dem Gebiet des Grusligen aus, was besonders für die Schilderung des verwunschenen Waldes mit seinem riesigen schneeweißen Mann und die verschiedenen namenlosen Schrecken gilt, die zu Beginn der Geschichte vorkommen.
Nicht so bekannt wie UNDINE, doch bemerkenswert im Hinblick auf den überzeugenden Realismus und das Fehlen der »gotischen« Schauerklischees, ist DIE BERNSTEINHEXE von Wilhelm Meinhold, ein weiteres Produkt, das der deutsche Genius des Phantastischen zu Beginn des 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Die Geschichte, angesiedelt in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, gibt sich als Handschrift eines Pfarrers aus, die in der alten Kirche von Coserow gefunden wurde, und in ihrem Mittelpunkt steht die Tochter des Pfarrers, Maria Schweidler, die fälschlich der Hexerei angeklagt wird. Sie hat einen Bernsteinfund gemacht, den sie aus verschiedenen Gründen verheimlicht, und der unerklärte Reichtum, den sie dadurch erwirbt, gibt der Anklage Nahrung; einer Anklage, die der adlige Wolfsjäger Wittich Appelmann aus boshaftem Groll betrieben hat, weil Maria sich seinen niederen Absichten widersetzte. Die Untaten einer wirklichen Hexe, die später im Gefängnis ein grässliches, übernatürliches Ende findet, werden leichtfertig der unglückseligen Maria zugeschrieben; und nach einem typischen Hexenprozess mit unter Folter erzwungenen Geständnissen soll sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, als gerade noch rechtzeitig ihr Geliebter, ein junger Junker, sie rettet. Meinholds große Stärke liegt in seiner unangestrengten und realistischen Echtheit, die beim Leser die Spannung erhöht und das Gefühl des Unsichtbaren verstärkt, indem er uns halb davon überzeugt, dass die bedrohlichen Ereignisse entweder auf irgendeine Weise der Wahrheit entsprechen, oder doch der Wahrheit sehr nahe kommen müssen. Sein Realismus ist in der Tat so vollkommen, dass eine Zeitschrift einst die wesentlichen Punkte der BERNSTEINHEXE als Tatsachenbericht
aus dem 17. Jahrhundert veröffentlicht hat.
In der heutigen Generation wird die deutsche Horrorliteratur am ansehnlichsten durch Hanns Heinz Ewers vertreten, der in seine düsteren Schöpfungen das Wissen der modernen Psychologie wirksam einfließen lässt. Romane wie DER ZAUBERLEHRLING und ALRAUNE und Kurzgeschichten wie »Die Spinne« kennzeichnet eine Qualität, die sie auf klassisches Niveau erhebt.
Doch auch Frankreich ist ebenso wie Deutschland auf dem Gebiet des Unheimlichen aktiv gewesen. Victor Hugo in Erzählungen wie »Hans von Island« und Balzac in DAS CHAGRINLEDER, »Seraphita« und »Louis Lambert« - sie beide verwenden Elemente des Übernatürlichen in mehr oder minder großem Ausmaß, wenn auch im allgemeinen nur als Mittel zu einem menschlicheren Zweck und ohne die aufrichtige und dämonische Intensität, die den geborenen Schöpfer der Schatten charakterisiert. Es ist Theophile Gautier, bei dem wir zum ersten Mal ein authentisches französisches Gefühl der unwirklichen Welt zu finden meinen; und hier nun erscheint ein gespenstisches Geheimnis, das nun zwar nicht fortwährend ins Spiel gebracht wird, das aber doch sofort erkennbar wird als eines, das
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