Unirdische Visionen
Priester blickte Norris hilflos an.
»Nein«, stieß sie hervor. »Und genauso wenig können Sie es bei Peony.«
»Ich glaube, ich gehe besser«, antwortete er müde.
Anne verließ wütend das Zimmer; ihr dunkles, seidiges Haar schlug ihr bei jedem Schritt ums Gesicht.
Als der Priester gegangen war, hob Norris Peony auf und setzte sie auf seinen Schoß. Sie zitterte, als ob sie die Unterhaltung verstanden hätte. Hab sie lieb im Wohnzimmer und töte sie im Schuppen, ging es ihm durch den Sinn.
»Darf ich jetzt nach Hause? Hat Pappi mich nicht mehr lieb?«
»Aber natürlich, Kleines. Du mußt nur brav sein.«
*
Norris fühlte einen schlechten Geschmack im Mund, als er sie eine halbe Stunde später aufs Sofa bettete. Alles war verkehrt. Er konnte sie O’Reilley nicht zurückgeben, weil sie, wenn der Buchprüfer kam, um die Bücher zu filmen, wieder gefangen würde. Und er konnte sie unmöglich bei sich behalten, mit den Bio-Agenten, die fast täglich im Haus ein- und ausgingen.
Er schloß die Augen und schauderte. Wenn er sie dem Zentrallaboratorium überantworten konnte, war er fähig, jede Greueltat – jede lasterhafte Forderung, die die Gesellschaft an ihn stellte, zu begehen und zu erfüllen. Wenn er das Kind seinem sicheren Tod ausliefern konnte, hatte er die höchste Stufe der »Objektivität« erreicht. Und was konnte man mehr vom Leben wollen als Adaptation und Objektivität?
Nun – seine Frau zum Beispiel.
Anne las noch im Bett. Sie sah nicht von ihrem Buch auf, als sie sagte: »Terry, wenn du zuläßt, daß dieses Baby getötet wird, ver…«
»Behalte es für dich. Wenn du glaubst, daß du mich verlassen mußt, geh, aber quäle mich nicht schon vorher.«
Schweigend drückte sie ihm eine Zeitung in die Hand. Eine der Annoncen war rot angestrichen.
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»Da wäre ein Job für dich, wenn du hier kündigen willst!«
»Und was nützt das Peony?«
»Wir könnten sie mitnehmen.«
»Du glaubst doch nicht, daß ein sprechendes Neutroid dort sicherer wäre.«
»Warum sollten sie sie umbringen«, zischte sie ihn an.
»Kein einzelner Mensch möchte sie umbringen, aber es ist gesetzlich vorgeschrieben.«
»Aber warum?«
»Erstens einmal, weil sie gefährlich sein können …«
»Das Kind – gefährlich?«
»Gefährlich für die Auffassung, daß der Mensch etwas Besonderes ist – die Krone der Schöpfung. Und von der praktischen Seite her ist sie gefährlich, weil sie kein Neutrum ist. Die Föderation besteht darauf, daß alle Mutanten unfruchtbar sind, so daß sie kontrolliert werden können.«
»Auf jeden Fall läßt du nicht zu, daß sie sie kriegen, hörst du!«
»Ich höre dich«, brummte er.
*
Am nächsten Tag ging er auf die Polizei, um seine Aussage im Zusammenhang mit der Ermordnung von Dr. Georges zu unterschreiben. Mrs. Glubbes war schon in eine Nervenheilanstalt eingewiesen worden.
»Ist verrückt, was die Leute alles wegen eines Neutroids anstellen. Ich beneide Sie nicht um Ihren Job. Ein Wunder, daß Ihnen noch nichts passiert ist. Sie müssen Nerven wie Drahtseile haben«, meinte Chief Miler.
»Alles eine Frage der Einstellung!«
»Ja, vermutlich.« Miler strich sich über den Bauch und gähnte. »Wie kommen Sie in der Delmont-Affäre weiter, Norris? Haben Sie schon ein anomales Tier gefunden?«
Norris legte seinen Füllhalter abrupt hin. »Nein, natürlich nicht. Wieso kommen Sie darauf?«
Miler starrte ihn neugierig an. »Empfindlich sind Sie, was? Wenn ich so eine Antwort von einem Untersuchungsgefangenen bekomme, denke ich sofort …«
»Sparen Sie sich’s für das Verhör.«
Er ärgerte sich über sich selbst wegen seiner Unentschlossen-heit. Er mußte zu einer Entscheidung kommen, und zwar bald. Gerade machte er die Autotür auf, als ihn eine Stimme zurückrief.
»He, Norris. Ihre Frau ist am Telefon. Sagt, es ist dringend.«
Norris ging schlechtgelaunt ins Büro zurück. Ihm schwante nichts Gutes.
Der Hörer lag auf dem Schreibtisch und er hörte es »Hallo – Hallo!« sagen, bevor er ihn aufnahm.
»Anne, was ist denn?«
Ihre Stimme klang unnatürlich heiter. »Nichts, Liebling. Wir haben Besuch. Chief Franklin ist hier. Bitte, komm schnell!«
*
Franklins Hubschrauber war auf dem freien Platz
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