Unirdische Visionen
links von ihrem Haus gelandet. Norris sah schon von weitem seine lange, ausgemergelte Gestalt auf der Veranda.
Er begrüßte seinen Inspektor mit einem sarkastischen Lächeln.
»Sie scheinen Ihre Post nicht zu lesen. Ich habe mich schriftlich angemeldet.«
»Entschuldigen Sie bitte, Chief. Bin heute morgen nicht dazugekommen.«
»Kommen wir zur Sache. Wie viele Bermudas K-99 haben Sie?«
»Vierunddreißig, glaube ich.«
»Ich habe fünfunddreißig gezählt.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht; ich weiß nicht mehr genau.«
»Wieviel anomale?«
»Ich – habe noch keine Tests durchgeführt.«
Franklins Stimme wurde scharf. »Brauchen Sie einen Test, um zu merken, wenn ein Neutroid das Blaue vom Himmel herunterschwätzt?«
»Was meinen Sie?«
»Genau, was ich sage. Wir haben mindestens ein Dutzend von Delmont gefunden, deren Verstand ihrem aussehensmäßigen Alter entspricht. Und noch dazu sind es fortpflanzungsfähige Weibchen. Sie wissen wohl, was das bedeutet?«
»Sie werden erwachsen.«
»Und kriegen Kinder.«
»Aber es gibt doch gar keine männlichen Tiere.«
»Nein? Raten Sie, was wir in einem von Delmonts Inkubatoren gefunden haben.«
»Doch nicht etwa …«
»Jawohl. Und vermutlich nicht das einzige. Was er da erzählt hat, mit sein Arbeitssoll erfüllen und so weiter, war purer Schwindel. Zum Teufel, Mann, er war drauf und dran, einen Schwarzmarkt anzufangen. Nach zwanzig Stunden ununterbrochenen Verhörs hat er endlich gestanden. Er wollte sie aufziehen. Aus dem Inkubator hat er sie gestohlen, bevor sie je ein Inspektor sah. Die K-99iger – die numerierten – sind ja nur diejenigen, die er nicht ‘rausgekriegt hat. Weiß der Himmel, wie viel Männchen er irgendwo versteckt hat.«
»Was haben Sie jetzt vor?«
»Vorhaben! Was stellen Sie sich vor, daß wir unternehmen? Wir rotten sie alle aus, natürlich.«
Norris drohte es schlecht zu werden. »Wahrscheinlich soll ich mich jetzt gleich an ihre Vergasung machen.«
Franklin warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. »Ja, aber warum fragen Sie? Sie haben ein anomales Tier gefunden?«
»Ja, Sir«, sagte er kleinlaut.
Ein unterdrückter Aufschrei ließ sie herumfahren. Norris sah Annes totenblasses Gesicht, bevor sie ins Haus rannte.
»Ich sehe, man hat hier eine Zuneigung zu einem von Delmonts Viechern gefaßt. Nun, ich werde es Ihnen abnehmen. Wo steckt es?«
»Entschuldigen Sie mich einen Moment, Sir!«
»Liebling, Anne, so mach doch auf!«
Ein Schlüssel drehte sich im Schloß, und die Schlafzimmertür öffnete sich einen Spalt.
»Komm ja nicht näher!« Ihr Gesicht war tränenüberströmt. Peony hockte verängstigt hinter ihr auf dem Teppich.
Dann erblickte er seinen Dienstrevolver in ihrer zitternden Hand.
»Liebling – ich bin’s!«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, du bist es nicht. Es ist ein Mann, der ein kleines Mädchen umbringen will. Bleib stehen!«
»Du würdest nicht schießen, nicht wahr?« fragte er eindringlich.
»Komm ‘rein und du wirst sehen«, forderte sie ihn auf.
»Gib mir Peony!«
Sie lachte höhnisch. Ihre Augen blitzten haßerfüllt. »Ich frage mich, wo Terry ist. Ich glaube, er ist gestorben oder adaptiert. Ich betrachte mich als Witwe. Keinen Schritt, mein Herr, oder ich schieße.«
Norris lächelte. »Gut, ich mache keinen Schritt. Aber der Revolver ist leer.«
Sie versuchte, die Tür zuzuschlagen; er stellte seinen Fuß dazwischen. Sie schlug mit dem Revolver auf ihn ein, aber er entwand ihn ihr und drückte sie gegen die Wand, während sie sich an seinen Armen festklammerte.
»Hör auf damit. Glaube mir, Peony wird nichts passieren. Ich versprech’s dir.«
»Terry, wenn du lügst … Sag, sind es mildernde Umstände, wenn man einen Mann tötet, um ein Kind zu beschützen?«
Norris nahm Peony in die Arme. Sie hörte auf zu weinen, aber zuckte unruhig mit dem Schwanz.
»Übrigens, such meine Instrumente, während ich draußen bin!«
»Die Sezierinstrumente?« keuchte sie. »Wenn du …«
»Sagen wir lieber, chirurgischen Instrumente. Sterilisiere sie derweil!«
*
»War das Ihre Frau, die so geschrien hat?« fragte Franklin.
Norris nickte zustimmend. »Bringen wir es schnell hinter uns. Es geht mir etwas an die Nieren.«
Franklin grinste Peony an und zog ein Bonbon aus der Tasche. Sie verschmähte es und kuschelte sich enger an Norris.
»Wann darf ich nach Hause?« piepste sie. »Ich möchte zu Pappi.«
Franklin beobachtete sie amüsiert. »Nur ein bißchen Geduld, mein
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