Unirdische Visionen
verwechselte.
Aber Peony war anders.
Norris hörte einen Wagen auf der Straße. Er hielt tatsächlich vor ihrem Haus. Ein großer, schlanker Mann stieg aus.
Er stürzte in die Küche. »Hör zu, Peony. Weißt du, was ein Neutroid ist?«
»Sie spielen im Käfig. Aber sie können nicht reden.«
»Kannst du so tun, als ob du ein Neutroid wärst?«
»Kann Neutroid spielen. Spiel’ manchmal mit Pappi Neutroid, wenn jemand zu Besuch kommt. Ich krieg dann ganz viele Bonbons. Wann darf ich nach Hause?«
»Nicht jetzt. Da kommt ein Mann zu uns. Du kriegst eine Menge Bonbons, wenn du Neutroid spielst. Ja nicht reden! Tu so, als ob du schläfst!«
Die Türglocke ging.
Der Besucher war ein älterer Mann und strahlte Würde aus. Norris bemerkte sein weißes Stehbündchen. Ein Geistlicher. Muß sich im Haus geirrt haben, dachte Norris.
»Sind Sie Inspektor Norris?
»Ich bin Vater Paulson. Der Grund meines Kommens ist ein gewisser James O’Reilley. Darf ich eintreten?«
Norris öffnete mürrisch die Tür. »Wenn Sie der Geruch des Heidentums nicht stört?«
Der Priester lachte höflich. Norris führte ihn ins Zimmer, knipste das Licht an und deutete auf einen Stuhl.
»Was wollen Sie?«
Paulson lächelte bei dem schroffen Ton des Inspektors und ließ sich in einem Sessel nieder.
»O’Reilley ist ein kranker Mann.«
»So hat er mir aber nicht ausgesehen.«
»Krank am Herzen, Inspektor. Er hat mich um Rat gefragt. Ich konnte ihm keinen geben. Er erzählte mir die Geschichte – mit dieser Peony. Kann ich sie sehen?«
O’Reilley hätte besser seinen Mund gehalten, dachte Norris, besonders bei Geistlichen. Die meisten von ihnen waren sowieso nicht gut auf die Sache zu sprechen.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie sich – solidarisch mit O’Reilley erklären. Ich denke, Sie exkommunizieren jeden, der ein Neutroid besitzt. O’Reilley hat einen ganzen Laden voll.«
»Das stimmt. Aber wer weiß? Er kann sein Geschäft aufgeben. Kann ich einen Blick auf das Neutroid werfen. O’Reilley behauptete, es kann sprechen. Und das möchte ich herausfinden.«
»Neutroide können nicht sprechen.«
Der Priester sah ihn lange an und sagte dann langsam: »Sie können ganz unbesorgt sein. Ich spreche mit niemandem über diesen Besuch und das Tier.«
Anne beobachtete sie vom Eingang. »Hol bitte Peony!«
Peony erblickte den Fremden, klapperte mit den Zähnen vor Angst, hopste auf die Sofalehne und schimpfte. Sie macht ihre Sache gut, fand Norris.
Der Priester verfolgte sie mit ruhigem Interesse. »Hallo, Kleine!«
Peony brabbelte unverständliches Zeug vor sich hin. Plötzlich sagte er: »Ich komme gerade von deinem Pappi, Peony. Ich soll dir was von ihm ausrichten.«
Ihr Gebrabbel verstummte. Sie sah den Priester mit großen Eichhörnchenaugen an, machte dann Norris eine Schnute und fing weinerlich an: »Ich will keine Bonbons. Will heim. Jetzt gleich.«
Anne stellte sich vor den Priester. »Was wollen Sie eigentlich?« fragte sie aggressiv. »Den Tod des Kindes? Ich kenne Ihre Sorte. Sie tun alles, um die Neutroide zu beseitigen.«
Er sah sie überrascht und verwundert an. Dann lachte er leise. »Früher pflegte man dem Priesterrock zu trauen. Hören Sie gut zu, mein Kind. Sie mißverstehen uns gründlich. Wir halten es für verderblich, diese Kreaturen zu erschaffen. Wir halten es für genauso verderblich, sie, wenn sie schon einmal lebendig sind, zu zerstören. Nicht direkt Mord, aber – Verspottung des Lebens – Anmaßung vielleicht.«
Norris witterte einen selbstlosen Freund, wenn nicht einen Verbündeten in dem Priester.
»Sagen Sie mir, Vater, was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären?«
»Ich wäre nicht an Ihrer Stelle, junger Mann. Gesetzt den Fall, würde ich sie wahrscheinlich nicht ausliefern, meine jetzige Tätigkeit kündigen und wegziehen.«
Das gerade hatte Norris nicht hören wollen. Annes Augen verloren ihren argwöhnischen Ausdruck. »Und Peony an O’Reilley zurückgeben?«
»Ich darf Ihnen keinen Rat geben«, sagte er unglücklich. »Ich bin verpflichtet, in O’Reilley zu dringen, daß er seinen Laden verkauft und nichts mehr mit Neutroiden zu schaffen hat.«
»Aber Peony ist menschlich«, argumentierte Anne. »Sie ist anders.«
»Da kann ich Ihnen nicht zustimmen.«
»Was«, fuhr sie ihn zornig an, »gibt Ihnen das Recht, sich Mensch zu nennen?«
»Eine Seele, mein Kind.«
»Können Sie ein Voltmeter von Ihrem einen Ohr zum anderen legen und sie abmessen?«
Der
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