Unirdische Visionen
verdrehter Haufen. Sie besaßen keinen Mund, keine Ohren und keine Nasen.
Aber sie hatten ein Auge und zwar mitten im Gesicht, wo eigentlich die Nase hätte sein sollen. Aber dafür ersetzte dieses Auge Mund, Ohren und Nase voll und ganz.
Es hatte sieben Zentimeter im Durchmesser und genau genommen war es gar kein Auge. Es hatte keine Iris und keine Pupille, sondern war klar wie Wasser, und einfallendes Licht oder Schatten veränderten jedesmal den Ausdruck. Manchmal war es hart und klar wie eine Kameralinse und dann wieder schaute es traurig und vorwurfsvoll drein wie ein alleingelassener Hund.
*
Sie waren wirklich eine unheimliche Sippschaft, diese Schatten. Sie erinnerten an Schaufensterpuppen, denen man vergessen hat, ein Gesicht zu malen. Sie waren menschenähnlich, kräftig und aktiv, und von Anfang an waren sie mir alles andere als dumm vorgekommen.
Sie trugen keine Kleider. Aus Gründen der Schicklichkeit brauchten sie auch keine. So wenig, wie sie Gesichtszüge besaßen, hatten sie Geschlechtsmerkmale. Aber sie trugen etwas, was ein Schmuckstück oder ein Abzeichen des Klubs der Schatten hätte sein können. Sie hatten einen schmalen Gürtel um, von dem eine Tasche oder ein Sack herunterhing, in dem es klirrte und klimperte, wenn sie rannten. Niemand wußte, was in dem Sack war. Von dem Gürtel liefen zwei Träger über die Schulter und wo sich die Träger auf der Brust kreuzten, glänzte ein riesiges Juwel. Kunstvoll geschliffen, funkelte es wie ein Diamant, und es hätte auch ein Diamant sein können, bloß wußte niemand was Genaues. Man kam nicht nahe genug heran. Eine Bewegung auf den Diamanten zu, und der Schatten verschwand.
Ja, verschwand, das ist der richtige Ausdruck.
Als ich an meinem Modell zu arbeiten begann, stellte sich Benny hinter mich. Er war sehr interessiert an diesem Modell. Er interessierte sich brennend für alles, was ich tat. Schließlich war er ja auch mein Schatten.
Ob es speziell mein Modell war, das ihn so faszinierte, bezweifle ich. Hätte ich Bohnen gezählt, wäre er wahrscheinlich genauso fasziniert gewesen.
*
Ich war stolz auf dieses Modell. Es hatte meinen vollen Namen, Robert Emett Drake, auf dem Gipssockel und war ein bißchen großartiger ausgefallen, als ich es ursprünglich vorhatte.
Ich hatte meiner Begeisterung freien Lauf gelassen, und das war nicht unverständlich. Schließlich bekam man nicht jeden Tag die Chance, von Grund auf die Anlagen für einen jungfräulichen, erdähnlichen Planeten zu entwerfen.
Ich hatte mich gerade hingesetzt, als ein Getöse im Küchenschuppen losbrach. Ich hörte Greasy fluchen und das Geräusch von aufklatschenden Schlägen. Die Tür des Schuppens flog auf, und ein Schatten stürzte heraus; Greasy einen Satz hinter ihm. Greasy schwang eine Bratpfanne und bediente sich ihrer äußerst wirkungsvoll; es war ein Genuß, seine gekonnte Rückhandtechnik zu verfolgen. Dabei stieß er Verwünschungen aus, die einem die Haare zu Berge stehen ließen.
Der Schatten floh durch das Camp, Greasy dicht hinter ihm. Ich wunderte mich, daß ein Schatten, der sonst sofort verschwand, wenn man sich seinem Juwel näherte, diese Behandlung über sich ergehen ließ.
In Höhe meines Modelltisches gab Greasy die Jagd auf; seine Kondition war nicht die beste.
Er stemmte beide Fäuste kriegerisch in die Hüfte, so daß die Bratpfanne, die er immer noch in der Hand hielt, waagerecht von ihm abstand.
»Der Stinker kommt mir nicht mehr in den Schuppen«, bedeutete er mir keuchend. »Ist schlimm genug, wenn er dauernd draußen herumlungert und in die Fenster guckt. Langt mir schon, wenn ich bei jeder Bewegung über ihn falle. Diese verdammte Schnüffelei in der Küche. Überall muß er seine Finger drin haben. Wenn ich Mack wäre …«
»Mack hat andere Sorgen. Das Projekt hinkt sehr hinter dem Zeitplan her; bei all den Maschinenschäden.«
»Sabotage«, berichtigte mich Greasy. »Das ist es nämlich. Da können Sie Gift drauf nehmen. Die Schatten sind’s, die die Maschinen ruinieren. Wenn ich was zu sagen hätte, würde ich sie davonjagen, bis …«
»Es ist aber ihr Land«, protestierte ich. »Sie waren vor uns da.«
»Der Planet ist doch groß genug. Sie können woanders genauso gut leben.«
»Sie haben aber ein Recht, hier zu sein. Es ist ihr Zuhause.«
»Die brauchen gar kein Zuhause«, sagte Greasy grollend und trollte sich.
Sein Schatten, der die ganze Zeit abseits gestanden hatte, beeilte sich, ihm nachzukommen. Er
Weitere Kostenlose Bücher