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Unirdische Visionen

Unirdische Visionen

Titel: Unirdische Visionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Groff Conklin
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auf.
    Die Straßen sahen so anders aus und die Kinder waren noch klein. Ein paar Jahre, und sie werden aussehen wie alle übrigen.
    Claire fühlt einen Stich im Herzen. »Wenn wir ein Kind haben könnten!«
    Woher kommen nur all der Kummer und die Schwermut? Wie hatte sie so viele Jahrzehnte leben können, ohne auch nur zu ahnen, daß es so etwas gab?
     
    *
     
    »Dio«, bittet Claire, »laß uns für einige Wochen wegfahren! Ich habe solche Lust, Napol wiederzusehen.« Dio ist von einer Staubwolke eingehüllt. Er hämmert an dem blinden Gesicht einer monumentalen weiblichen Figur.
    »Du gehst; allein. Ich kann dich nicht begleiten. Zuviel Arbeit.«
    »Die Abwechslung würde Ihnen guttun«, wirft Benarra ein.
    »Ich kann meine Arbeit nicht liegen lassen«, ist die bündige Antwort. Er nimmt sein Geklopfe wieder auf.
    Benarra schüttelt den Kopf. »Es hat keinen Zweck.« Sie treten auf den Balkon. »Eigentlich wollte ich es Ihnen noch nicht sagen. Die Planer werden Dio nahelegen, um seine Entlassung nachzusuchen.«
    »Ich habe es kommen sehen. Könnten sie ihm den Sektor nicht für Studienzwecke, zum Experimentieren oder als Museum überlassen?«
    »Er muß sich damit abfinden.«
    »Ich weiß. Ich werde ihm helfen, soviel ich … kann.«
    »Gerade das wollte ich Sie bitten, zu unterlassen.«
    Benarra hält ihren aufgerissenen Augen stand. »Claire, Sie machen es ihm nur schwerer. Er färbt sich die Haare für Sie, aber er braucht sich nur einmal kritisch anzuschauen und weiß, wie er wirklich aussieht. Er verachtet sich … schließlich wird er Sie hassen. Gehen Sie weg! Er muß den bitteren Weg allein zu Ende gehen.«
     
    *
     
    In Djuba kauft sie sich einen schmalen, sehr alten Eisenring. Eine kleine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Das Ding liegt kühl in ihrer Hand, und sie denkt schaudernd, wie alt es sein muß. Nie zuvor war sie sich des alles verschlingenden Rachens der Zeit bewußt.
    In Cair begegnet sie einem Sammler. Seine Bücherei enthält lauter alte Folianten. Manche sind tatsächlich aus Papier und in synthetisches Leder gebunden; genaue Nachbildungen der Originale.
    »Auch die Alfuren von Poso, in Zentral-Celebes erzählen, wie den ersten Menschen alles, was ihnen not tat, vom Himmel gereicht wurde; der Schöpfer ließ es an einem Seil herab. Zuerst band er einen Stein in das Seil. Aber die Menschen verschmähten den Stein und fragten unwillig ihren Gott, welchen Nutzen der Stein hätte. Darauf ließ der Gott eine Banane hinunter, die sie freudig annahmen und mit Genuß verzehrten. Das aber war ihr Verderben. ›Da ihr die Banane gewählt habt‹, sprach die Gottheit, ›sollt ihr euch mehren und vergehen wie die Banane, und eure Nachkommen sollen einnehmen eure Stelle.‹
    Sie schließt das Buch. »Was war eine Banane, Alf?«
    »Ein Phallussymbol, meine Liebe.«
    In Winthur nimmt sie Bäder, in Prah tobt sie mit einer Horde ausgelassener junger Leute durch die Stadt. Aber was sie auch tut, sie trägt dieselbe Dunkelheit in sich.
     
    *
     
    »Dio hat sich zurückgezogen, aber er ist noch am Leben, Claire. Vor seinem Rücktritt gab es fast noch einen Skandal. Er hatte den Befehl gegeben, alles von ihm Entworfene in die Luft zu sprengen. Das Durcheinander war entsetzlich. Die Integratoren sind nicht darauf eingerichtet, solche Schuttberge wegzuschaffen. Er mußte amorphisiert und weggepumpt werden. Schließlich wurden sie mit Dio einig. Er hörte mit den Sprengungen auf, und sie gaben ihm Sektor Eins dafür.«
    »Den ganzen Sektor?«
    »Er stand sowieso kurz vor der Renovierung. Und er sagte ihnen, daß er ihn nicht für lange haben wollte. Er hat ein Stück Land bepflanzt und baut Getreide an. Ich bin schon öfters unten gewesen.«
     
    *
     
    Er wartete auf sie, als sie aus der Transportkabine stieg.
    Sein Gesicht war kaum noch menschlich. Das Gesicht einer Schildkröte oder Eidechse; verhornt und erdbraun. Die Wangen waren eingesunken, und der Kiefer wölbte sich unter dem schlitzartigen Mund. Die Haare waren so weiß und fein wie Distelflaum in der Sonne.
    Wie Fremde gingen sie nebeneinander, und er zeigte ihr seine Getreidefelder, seinen Küchengarten, die jungen Obstbäume. In ihren Zweigen sangen Vögel. Ein grobgewebter Umhang hing von seinen knochigen Schultern. Er hatte ihn selbst genäht. Auch den Tonbecher, in den er ihr selbstgepreßten Landwein eingoß. Die Hütte war sauber und enthielt nur das Notwendigste. »Natürlich habe ich mir Werkzeuge von Benarra bringen lassen und

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