Unit Kill
das Unterseeboot überhaupt nicht für Fahrten unter dem Eis ausgerüstet ist und insbesondere kein nach vorne und oben gerichtetes, aktives Eis-Sonar besitzt.
Im arktischen Frühjahr beginnt das im Winter entstandene Meereis wieder durch erhöhte Luft- und Wassertemperaturen zu schmelzen. Die riesigen Eisplatten zerfallen dabei in kleinere Eisschollen, die fälschlicherweise oft als Eisberge bezeichnet werden. Eisberge bestehen jedoch in der Regel aus reinem Süßwassereis, das vor allem von grönländischen Gletschern oder vom Schelfeis abgebrochen ist. Der Rückgang des Eises erreicht im September seinen Höhepunkt und die Eiskappe bedeckt dann nur noch etwa vier Millionen Quadratkilometer rund um den Nordpol.
In den letzten Jahrzehnten hat die mittlere Ausdehnung der Eiskappe des Nordpols immer mehr abgenommen und es gibt Prognosen, dass das Nordpolarmeer im September 2020 sogar gänzlich eisfrei sein könnte. Über die mittelbaren Ursachen und vor allem über die mittel- und langfristigen Folgen sind sich die Wissenschaftler noch nicht ganz einig. Als direkter Auslöser wird jedoch einheitlich der globale Klimawandel mit seiner Verschiebung zu höheren durchschnittlichen Temperaturen gesehen. Dieser hat dazu geführt, dass die durchschnittliche Fläche der nordpolaren Eiskappe von Jahr zu Jahr kleiner geworden ist.
Auch in diesem Jahr war die Ausdehnung der Eisdecke wieder einmal ganz nahe an einem neuen Negativrekord, sodass jetzt, im Spätsommer, die Packeisgrenze in der Tschuktschensee deutlich jenseits des 70. Breitengrades lag. Auch Spitzbergen war in diesem Jahr noch gar nicht mit der nordpolaren Eiskappe in Berührung gekommen. Für U 37 waren die Bedingungen eigentlich optimal, denn die zurück zu legende Strecke unter dem Eis war dadurch wesentlich kürzer, als unter normalen Umständen.
Allerdings hielt sich an Bord von U 37 die Freunde darüber in Grenzen, vielmehr verbreitete sich eine seltsame, gedrückte Stimmung. Obwohl U-Boot-Fahrer gemeinhin nicht unter Platzangst leiden, bekamen fast alle Mitglieder der Besatzung ein sehr ungutes Gefühl, das Angst sehr nahe kam. Denn unter dem Packeis des Nordpolarmeeres konnten sie eines nicht mehr tun - bei technischen oder sonstigen schweren Problemen im Boot sofort auftauchen. Dafür war sowohl das Eis zu dick, als auch das Boot überhaupt nicht konstruiert. U-Boote, die in der Lage waren, das Packeis an entsprechend dünnen Stellen zu durchstoßen, besaßen dafür speziell verstärkte Türme und einen ausreichend stabilen Rumpf. U 37 hatte nichts dergleichen vorzuweisen. Das Auftauchen im Packeis war für das Boot nur an einer der sehr seltenen Stellen mit offenem Wasser möglich.
Der IWO gab mit ruhiger Stimme seine Befehle und Hansen sah seiner Besatzung schweigend bei ihrer Arbeit zu. Seine Gedanken begannen abzuschweifen und das Gespräch mit dem Schiffsingenieur der Augsburg kam ihm wieder in den Sinn.
„Welche Strecke wollen Sie den fahren?“, hatte dieser gefragt, als er, Hansen und der Kommandant der Augsburg in dessen Kabine auf die Dieselübernahme zu sprechen kamen. Hansen hatte ihn nur stumm angeblickt, die letzten Tage hatten sein Vertrauen in andere Menschen stark getrübt. Der Ingenieur war jedoch nicht beleidigt gewesen, er hatte Verständnis für Hansens Besorgnis. Allerdings hatte er sich in der letzten Stunden einige Gedanken gemacht, die er Hansen unbedingt zur Kenntnis bringen wollte. Er sagte: „Ihre Gegner rechnen mit Sicherheit mit einer Fahrt um Afrika, durch den Atlantik den Ärmelkanal oder um England herum.“
Hansen gab sich einen Ruck. „Ja, einen anderen Weg gibt es ja nicht. Aber der Indische Ozean und der Atlantik sind groß genug, um unerkannt durch zu kommen.“
Der Ingenieur schüttelte leicht seinen Kopf. „Aber im Nordatlantik, zwischen Grönland, Island und Großbritannien wird es enger. Außerdem verfügen die USA dort über ihre SOSUS-Anlagen. Dort wird ihr Entdeckungsrisiko größer werden.“
„Einen anderen Weg gibt es aber nicht!“
„Tatsächlich?“
Hansen blickte den Ingenieur scharf an. „Worauf wollen Sie hinaus?“
„Sie können doch mehrere Wochen getaucht fahren, oder?“
„Ja.“
„Wie lange?“
Hansen blieb stumm.
„Verstehe, aber bestimmt länger als zwei Wochen.“
Hansen nickte fast unmerklich mit einem ganz leichten Anflug eines Lächelns. Der Ingenieur verstand.
„Und Sie können auch in sehr flachen Gewässern, sagen wir mal dreißig Meter, getaucht
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