Unit Kill
Lichtenstein-Steueraffäre im Jahr 2008? Als die deutschen Steuerbehörden im Rahmen der Amtshilfe vom Bundesnachrichtendienst eine CD mit ausführlichen Liechtensteiner Bankdaten von unzähligen Steuerhinterziehern bekommen hatte? Und Leute wie zum Beispiel der damalige Post-Chef und etliche andere Prominente angeklagt wurden? Das was anschließend an Rückzahlungen und Geldbußen eingetrieben wurde, hatte den Preis, der für die CD bezahlt wurde, um ein zigfaches überschritten.“
Der Verteidigungsminister nickte. Er konnte sich an die Affäre erinnern, vermochte sich aber nicht vorzustellen, wo da ein Zusammenhang mit dem Schwarzgeld des BND bestehen könnte.
„Die CD, die der BND den Steuerbehörden übergeben hatte, war nicht die Original-CD.“
Der Verteidigungsminister blickte den Bundeskanzler verständnislos an.
„Auf der CD für die deutschen Steuerbehörden fehlten die dicksten Fische.“
Der Verteidigungsminister war immer noch verwirrt. „Und?“
„Und die hat der BND selbst zur Kasse gebeten.“
Der Verteidigungsminister brauchte mehrere Sekunden um zu begreifen, was ihm da gerade eröffnet wurde. Das war unglaublich. Aber der Bundeskanzler lies keine Anzeichen erkennen, einen Scherz gemacht zu haben. „Davon wissen außer Ihnen und mir nur noch vier weitere Personen. Beziehungsweise jetzt nur noch drei.“
Der Verteidigungsminister wusste nicht mehr was er sagen sollte. Der BND erpresste deutsche Steuerhinterzieher um verdeckte Operationen zu finanzieren! Das durfte einfach nicht wahr sein. Nicht in einem Staat, dessen Regierung er angehörte. Der Bundeskanzler, dem es vor einiger Zeit ähnlich gegangen war, schwieg eine zeitlang und ließ seinem Freund Zeit, das Ganze zu verarbeiten.
„In was für einem Staat leben wir eigentlich?“
Der Bundeskanzler ließ sich nicht provozieren und erwiderte ruhig: „In einer parlamentarischen Republik. Aber auch eine parlamentarische Republik kommt nicht ohne einen Geheimdienst aus.“
„Korrekt. Aber auch ein Geheimdienst darf nicht ausnahmslos alle Grundwerte des Staates, dem er eigentlich dienen soll, mit Füßen treten!“
Der Bundeskanzler blickte betroffen zu Boden. Sein Freund hatte natürlich Recht. Er sah es ja im Prinzip genau so. Aber er sah das Ganze auch noch aus einem etwas anderen Blickwinkel. „Sie und ich haben einen Amtseid abgelegt.“
„Genau! Auf unsere Verfassung!“
„Nicht nur.“
„Wie bitte?“
„Nicht nur auf unsere Verfassung.“
„Was soll das heißen?“
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe“, antwortete der Bundeskanzler und zitierte damit wörtlich den von ihm und seinen Ministern abgelegten Amtseid. „Wir beide haben nicht nur einen Eid abgelegt, unser Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen, sondern haben auch geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwehren.“
„Wollen Sie etwa …“
„Ich will nur sagen, dass ich in der Situation war und bin, einen Eid abgelegt zu haben, den ich nicht mehr in vollem Umfang erfüllen kann“, unterbrach ihn der Bundeskanzler. „Wenn ich unser Volk vor dem internationalen Terrorismus schützen will, können die dafür erforderlichen Maßnahmen nicht öffentlich durch das Parlament, die Ausschüsse und unsere Bürokratie geschleust werden. Das geht einfach nicht, das müssten Sie doch am allerbesten wissen, Herr Verteidigungsminister.“
Der Minister, ein promovierter Jurist, Spezialist für internationales Recht und lange Jahre als Professor tätig, wurde bei diesen Worten richtig sauer. So eine Argumentation würde er nicht mal einem Studenten im ersten Semester durchgehen lassen. Er setzte mit zornrotem Kopf zu einer Erwiderung an, als ihn der Bundeskanzler abermals unterbrach.
„Wir sind weder in einer akademischen Diskussionsrunde noch in einer Talkshow. Wir sind Mitglieder der Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Sicher können auch wir abstrakte Diskussionen über Recht und Unrecht, über Rechtsnormen oder Rechtswertigkeit führen, aber irgendwann müssen wir uns der Wirklichkeit stellen. Irgendwann wird für jeden von für uns die Stunde der Wahrheit schlagen“, führte der Bundeskanzler mit ruhiger Stimme aus, fast, als ob er zu sich selbst spräche.
„So einfach können wir es
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