Universalheilmittel
nicht nur in dieser Hinsicht, zur Heilung der Haustiere, haben wir Menschen uns etwas abgeschaut. Unsere Vorfahren vermuteten nämlich, dass das, was den Tieren guttut, bei uns Zweibeinern ähnlich Positives bewirken dürfte. Über Versuch und Irrtum fanden sie heraus, welche Arten von Erde sich wofür besonders eigneten. Nicht jede Erde ist nämlich auch eine heilende. Die frühen Menschen sahen Erde als Geschenk der Götter an, sie färbten und bemalten ihre Körper damit für besondere Rituale.
Eine ausgesprochen wertvolle und wirksame Angelegenheit war und ist der fette Löß, den regelmäßig jedes Jahr der Nil mit seinen Überschwemmungen ans Ufer brachte und bringt. Die alten Ägypter heilten damit ihre Wunden, Entzündungen und Schmerzen. Zusammen mit anderen Substanzen nutzten sie seine keimtötenden Eigenschaften zur Einbalsamierung ihrer Verstorbenen. Von Kleopatra ist überliefert, dass sie ihr Gesicht und ihren Körper mit Nilschlamm behandelte, um ihre naturgegebene Schönheit möglichst lange zu bewahren.
Was auf Uneingeweihte wie ein verrücktes Schwelgen in Dreck und Matsch wirken mag, ist tatsächlich ein Mittel zur Tiefenreinigung der Haut, das die äußere Haut verfeinert und zusätzlich das Bindegewebe strafft. Gründliches Abwaschen mit Wasser hinterher gehört selbstverständlich zur Prozedur dazu.
In den Hochkulturen Chinas, Babyloniens und Indiens wusste man viel über die Heilkraft verschiedener Erden, und man setzte dieses Wissen praktisch um.
Im Neuen Testament steht, dass Jesus einem Blinden das Augenlicht schenkte, indem er ihm einen Brei aus Erde auf die Augen strich.
Seit Homers Zeiten, im 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, war die braunrote Erde von der Insel Lemnos, »Lemnische Erde«, sehr populär. Man rührte sie meist mit Wein an und setzte sie unter anderem gegen Vergiftungen und gegen Pest ein. Hildegard von Bingen bevorzugte allerdings die aus Frankreich stammende grüne Tonerde. Paracelsus stellte ebenfalls Arzneimittel mit Heilerde her.
Lange nahm man hier bei uns in Mitteleuropa Lemnische Erde, aber sie war teuer und nur unter Schwierigkeiten erhältlich. So suchte und fand man in Schlesien, Sachsen, Franken und Hessen geeigneten Löß. Er wurde in Rundstücke oder Täfelchen gepresst und mit einem Echtheitssiegel versehen, um seine Qualität zu garantieren. Daher kommt der immer wieder auftauchende Begriff »Siegelerde« oder »Terra sigillata«.
In der Volksheilkunde besaß Heilerde so lange einen hohen Stellenwert, bis sie im Zuge des Fortschritts in der Medizin und der Pharmazie in Vergessenheit geriet. Sebastian Kneipp grub sie dann im doppelten Sinne des Wortes wieder aus. Er verwendete sie vor allem äußerlich, und zwar wenn Umschläge kühlen und ausleiten sollten, beispielsweise bei schmerzenden Stichen von Bienen und Wespen. Er schrieb, »… dass manche Körperschäden und vielerlei Übel durch kein anderes Mittel so schnell und mit solcher Leichtigkeit geheilt werden können als mit Lehm«.
Ein Anhänger von Kneipp war Adolf Just (1859–1936). Er beschäftigte sich theoretisch und praktisch intensiv mit dem Einsatz von Lehm und suchte nach einer Erde, die sich auch für die innerliche Anwendung eignete. Am Ende fand er tatsächlich passende Lößvorkommen. Diesen Löß ließ er sehr fein vermahlen, in Öfen bis auf 130 Grad erhitzen und dadurch keimfrei machen. Der Begriff »Heilerde« stammt von Just. Dieser Begriff darf, das sei hier wiederholt, nur für äußerlich plus innerlich anwendbare Erde genutzt werden. Seine »Luvos-Heilerde« ist die einzige Erde, die in Deutschland eine Arzneizulassung besitzt. Man erhält sie in jeder Apotheke und Drogerie, ebenfalls im Reformhaus. Just sagte, diese Erde sei »das beste Heilmittel der Natur«.
Keine Arzneizulassung haben die grünen Erden vulkanischen Ursprungs, die vor allem aus Frankreich stammen und dort bis heute sehr populär sind. Zwar erhitzt man diese Erden nicht in Öfen, aber man pasteurisiert sie bei über 90 Grad und trocknet sie im intensiven Sonnenschein, zum Beispiel in der Provence. Sie gelten als Nahrungsergänzungsmittel und werden entsprechend vertrieben. Auch sie sind sehr empfehlenswert.
Nur in der Apotheke erhältlich ist ein außerordentlich effektives Darmtherapeutikum mit dem Namen »Colina«. Bei schwerem Durchfall, den auch die Einnahme von Heilerde und medizinischer Kohle nicht zu stoppen vermag, zeitigt diese Zubereitung erstaunlich schnelle und nachhaltige Erfolge.
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