Universalheilmittel
gelangte noch vor Beginn der christlichen Zeitrechnung nach Afrika, nach Europa und schließlich im 15., 16. und 17. Jahrhundert nach Amerika. Columbus selbst schenkte Ende des 15. Jahrhunderts während seiner berühmten Entdeckungsreise den Indianern Hanfsamen und Kleidung aus den Fasern. Später brachten afrikanische Sklaven weiteres Saatgut nach Amerika mit.
George Washington (1732–1799), der erste amerikanische Präsident, baute Hanf an, er hatte damit keinerlei Berührungsängste. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 wurde auf Hanfpapier gedruckt.
Allererste Zeugnisse über Hanf stammen aus China und sind über 10 000 Jahre alt. Die medizinische Verwendung wird fast 3000 Jahre vor Christus in einem klassischen Arzneimittelbuch ebenfalls aus China erwähnt. Unter anderem gab man Hanf gegen Schmerzen, Malaria und Frauenkrankheiten. Später nutzten ihn die Chinesen als Betäubungsmittel bei Operationen.
In der ayurvedischen Medizin gehört Hanf zu den wichtigsten Heilpflanzen und wird vor allem als Stärkungs- und Schmerzmittel, gegen Krämpfe, Frauenleiden und Erkrankungen der Atemwege empfohlen.
In seiner Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen schreibt der Ethnopharmakologe Dr. Christian Rätsch, er vermute, dass Cannabis schon in der Neusteinzeit schamanisch genutzt wurde, also zum Erlangen von außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen und für Heilungen. Auf jeden Fall aber hätten ihn die Schamanen im alten China gekannt. Wobei man nicht wisse, ob er gegessen, getrunken oder in Form von Rauch aufgenommen wurde.
Auch die alten Ägypter hätten ihn genutzt. »Haschisch«, so schreibt Rätsch, »hat bis heute in Ägypten eine rituelle Bedeutung als sozial integratives Element bei gesellschaftlichen Anlässen behalten. Nach dem Essen, bei Konzerten und Tanzvorführungen wird gemeinsam aus der Wasserpfeife geraucht.«
In der mittelalterlichen Gesellschaft des Islam hätte Cannabis in erster Linie eine Rolle als heilige Pflanze zur Unterstützung der Meditation gespielt. Bei den Germanen war er der Liebesgöttin Freia heilig.
Rätsch nennt 204 (!) unterschiedliche deutsche und internationale Volksnamen für Hanf. Darunter sind einige, die in Richtung »Pflanze der Götter« gehen, zum Beispiel Da Hola Herb, Green Goddess, Happy Smoke, Planta da Felicidade (portugiesisch: »Glückspflanze«), Santa Rosa (mexikanisch: »heilige Rose«).
Kuriose Namen tauchen ebenfalls auf, zum Beispiel Chrütli (schweizerdeutsch: »Kräutlein«), Starker Tobak, Opio do Pobre (portugiesisch: »Opium der Armen«), Knaster, Ma, Hasisi und Wacky Weed (englisch: »verrücktes Unkraut«). Kif, Pot, Marijuana, Hasch/Haschisch, Gras oder Grass sind bekannte Bezeichnungen.
Mitte des 19. Jahrhunderts fanden Cannabisprodukte unter anderem als Asthmamittel Eingang in die Arzneibücher der westlichen Medizin. Daraufhin wurden »Asthmazigaretten« sehr beliebt, die Cannabis enthielten. THC in Kapselform wird auch heute noch gegen Asthma eingesetzt. 3
Vor allem durch einen 1839 veröffentlichten Bericht des irischen Arztes William B. O’Shaughnessy (1809–1890) gelangte Cannabis in die europäische Schulmedizin. Während er in Indien stationiert war, wurde O’Shaughnessy mit indischem Hanf (Cannabis indica) vertraut. Er sah sehr gute Erfolge bei Patienten, die an rheumatischen Beschwerden, Cholera und Tetanus litten.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängten dann moderne standardisierte Arzneimittel den Cannabis. Außerdem gab es immer mehr rechtliche Einschränkungen, weil es sich um ein Rauschmittel handelt. Dies und die fehlende Standardisierung sind die wichtigsten Gründe dafür, dass Cannabis trotz seiner kraftvollen Eigenschaften in der heutigen westlichen Medizin keine allzu große Rolle spielt.
Der wichtigste medizinisch wirksame Bestandteil THC wurde 1964 isoliert. Dronabinol ist mit THC strukturidentisch, wird aber synthetisch hergestellt. Es darf in Deutschland in Form des Präparats Marinol aus den USA importiert oder wie gesagt als Rezepturarzneimittel verordnet werden.
Das Stichwort »Cannabis« ist mit einem leicht anrüchigen Flair umgeben. Zum Beispiel wurde es bei allen Internetzugängen der großen, hervorragend ausgestatteten Münchner Stadtbibliothek gesperrt; das heißt, man erhält dort dazu keinerlei Informationen aus dem Internet. Als Grund wird angegeben: »Domain with drug contents«, was bedeutet, es geht um Drogen.
Professor Dr. Rudolf Brenneisen von der Universität
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