Unmoralisch
konnte. Graeme fluchte. Als er zu ihrem Zimmer hinaufschaute, sah er, dass sie am Fenster stand und ihn mit eisigem Lächeln beobachtete. Allein ihr Anblick brachte seinen Puls zum Rasen. Aber er schnitt nur eine Grimasse und spannte die Gesichtsmuskeln an. Seine Augen waren zwei wütende, schwarze Punkte. Er trat gegen die hintere Stoßstange ihres Wagens, so fest, dass eine Beule zurückblieb.
Dann stand er da und dachte angestrengt nach. Die ersten Regentropfen hinterließen dunkle Flecken auf seinen Kleidern. Plötzlich hatte er eine Idee. Einen Gedanken, der ihn dazu brachte, zu Rachels Fenster hinaufzuschauen und sie anzugrinsen. Sie runzelte die Stirn, als ahnte sie, was er vorhatte.
Er stürmte ins Haus zurück und rannte keuchend die Treppe hinauf. Im Schlafzimmer durchwühlte er Emilys Frisierkommode und warf Schmuck und Kosmetika auf den Boden. Er tastete sich bis in den hinteren Teil der Schublade vor, wühlte sich durch das Durcheinander. Schließlich hörte er ein Klirren, und im selben Augenblick ertasteten seine Finger, was er suchte. Mit wachsender Aufregung zog er ihn hervor, den Ersatzschlüssel für Emilys alten Wagen.
Er nahm den Schlüssel, rannte zurück nach draußen und warf die Haustür hinter sich zu. Noch einmal schaute er zu Rachels Fenster hinauf, aber sie war verschwunden. Beim Auto angekommen, hantierte er mit dem Schlüssel. Seine Hände waren nass vom Regen, und er ließ den Schlüssel fallen. Er bückte sich, erwischte den Schlüsselanhänger, und schließlich gelang es ihm, den Schlüssel ins Schloss zu schieben. Er passte. Die Fahrertür sprang auf.
Graeme sah sich ängstlich um. Er war ganz allein.
»Fahr los«, knurrte das Monster. »Geh auf die Jagd.«
Er hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass es von seinen schweißnassen Händen ganz klebrig wurde. Lästiger Regen prasselte auf die Windschutzscheibe und hinterließ einen Schleier, den die Scheibenwischer kaum beseitigen konnten. Er fuhr auf die Landstraße hinaus. Der Wagen verstärkte sein Verlangen nur noch, weil alles darin nach Rachel roch. Sie hätte genauso gut neben ihm sitzen und ihn mit ihren kalten, grünen Augen herausfordernd ansehen können. Die Erinnerung an den Sex mit ihr war so realistisch, dass er fast meinte, ihre Hände zu spüren.
»Geh auf die Jagd.«
Er fuhr bergauf nach Westen, am See entlang, und ließ die Wohngebiete rasch hinter sich, je höher er fuhr. Nach etwa acht Kilometern fuhr er eine einsame Straße entlang, die zu beiden Seiten von dicht stehenden Birken eingefasst war. Es regnete inzwischen in Strömen, und es war stockdunkel. Er musste langsamer fahren und sich vorbeugen, um im Licht seiner Scheinwerfer überhaupt etwas zu sehen.
Er bog rechts ab und fuhr weiter den Hang hinauf. Erst in letzter Sekunde sah er das Mädchen, das direkt vor ihm auf der Straße joggte und sich nur schwach im Schatten der Bäume abhob. Er bremste scharf und riss das Steuer zur Seite, um ihr auszuweichen, dann sah er das Aufblitzen von Angst in ihren Augen, als sie das Auto bemerkte und sich rasch zur Seite warf.
Graeme fuhr an den Straßenrand und hielt mit laufendem Motor. Er lief zurück und sah, dass das Mädchen sich bereits wieder aufgerappelt hatte und versuchte, sich von Dreck und Schlamm zu befreien. Im Dunkeln konnte er ihr Gesicht nicht genau sehen, doch sie war etwa in Rachels Alter und hatte das lange, kastanienbraune Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Sie hatte eine sportliche Figur und trug enge Shorts und ein Sportbustier.
»Es tut mir furchtbar Leid«, sagte Graeme. »Alles in Ordnung?«
Sie ging ein paar Schritte und trat dabei mit dem einen Fuß nur vorsichtig auf. »Mir geht’s gut. Wahrscheinlich nur eine kleine Verstauchung.«
Seine Augen hatten sich inzwischen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass er sie besser sehen konnte. Sie war sehr jung, sehr hübsch und wirkte süß und verletzlich, wie sie da schwankend auf dem unverletzten Bein stand. Ein paar Haarsträhnen hatten sich aus dem Pferdeschwanz gelöst, und ihre Kleider und ihre Haut waren nass vom Regen.
»Komm, ich fahre dich nach Hause«, sagte Graeme und streckte die Hand aus, um sie zu stützen.
Er lächelte sie aufmunternd an und hasste sich gleichzeitig für das, was er tat. Das bin nicht ich. Es ist das Monster. Das ist ein Unterschied.
Sie fasste nach seinem Arm und stützte sich darauf. Er spürte ihre Berührung. Sie war ihm so nah, dass ihr Geruch nach Schweiß und Regen ihn ganz einhüllte. Er
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