Unnatural History
Opiumnachschub sorgt.
»Sagen wir zehn Guineen – auf die Hand.«
Ulysses klappte lässig sein Portemonnaie auf, nahm die verlangte Geldsumme heraus und reichte sie dem alten Mann, der jeder seiner Bewegungen mit dem habgierigen Blick eines Goldgräbers folgte. »Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, Doktor.« Ulysses steckte seine Börse wieder ein und wandte sich zum Gehen.
»Was ist mit der Probe?«, wollte Methuselah wissen.
»Behalten Sie sie.« Ulysses wandte sich an der Tür noch einmal um. »Ebenso bezahle ich Sie weiterhin für alle Informationen, die Sie mir nach jeder weiteren Untersuchung übermitteln. Ich finde selbst hinaus.«
Wieder auf der Straße nutzte Ulysses die Gelegenheit, seine Lungen mit frischer Luft zu füllen und so den galligen Geschmack des Konservierungsfluids loszuwerden. Er forschte in seinen Taschen nach seinem Kommunikator aus Teakholz und Kupfer. Er klappte ihn auf und zog die Antenne heraus, wartete, bis einer der Züge über ihm vorbeigerattert war und tippte dann Genevièves Nummer ein. Es klingelte drei Mal, bis ein Klicken ihm signalisierte, dass am anderen Ende abgehoben wurde und er Genevièves Stimme hörte. »Hallo«, sagte sie lediglich, doch allein schon dieses simple Wort jagte einen Schauer der Erregung durch Ulysses’ Brust. Er war selbst überrascht von dieser psychosomatischen Reaktion. Noch nie war ihm so klar gewesen, wie sehr es ihm leidtat, dass ihr nur wenige Stunden zuvor so viel Schreckliches zugefügt worden war und wie unglücklich er sich selbst bei ihrem übereilten Abschied gefühlt hatte.
»Hier ist Ulysses, Geneviève. Bitte legen Sie nicht auf.«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Aber ich habe Neuigkeiten«, brabbelte er.
Vom anderen Ende des Hörers kam keine Antwort. War sich noch immer in der Leitung? »Geneviève?«
»Welche Neuigkeiten?« Sie klang nüchtern und er hörte unterdrückte Emotionen in ihrer Stimme.
»Das besprechen wir lieber nicht am Telefon. Wir sollten uns treffen.«
Erneut schwieg sie.
»Wo?«
Ulysses dachte schnell nach. Seine Gedanken waren noch immer im Aufruhr seit ihrer letzten Begegnung inmitten von prähistorischen Ausstellungsstücken und seinem Gespräch mit Dr. Methuselah über seltsame DNA und evolutionäre Erbschaftsgenetik. Nur ein Ort kam ihm augenblicklich in den Sinn, doch er entschied sich, das Natural History Museum bis auf weiteres erst einmal zu meiden. Er wollte nicht, dass sich Scotland Yard wieder in seine Sachen einmischte und ein öffentlicher und übersichtlicher Platz eignete sich ohnehin besser, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
»Der London Zoo«, schlug er vor. »Am Haupteingang. Dort kann ich Ihnen meine Entdeckungen mitteilen.«
»Sehr gern«, sie klang zumindest besänftigt. »Ich treffe Sie dort um zehn Uhr morgen Früh.«
Die Verbindung brach ab.
Ulysses klappte den Kommunikationsapparat zu und verstaute ihn wieder in seiner Tasche. Schon bald würde er Geneviève von der grauenvollen Wahrheit bezüglich des Verschwindens ihres Vaters unterrichten und zweifellos ein weiteres Mal an ihren Emotionen rütteln.
Kapitel 7
Entsetzliche Echsen
»Danke, dass Sie eingewilligt haben, mich zu treffen«, sagte Ulysses.
Geneviève wich seinem Blick aus und ließ den ihren auf den Boden gleiten; erneut dieselbe demonstrativ züchtige Haltung, die sie bereits bei ihrem ersten Treffen an den Tag gelegt hatte.
»Wenn man bedenkt, dass ich Ihre Klientin bin und ich Sie für Ihre Hilfe in dieser Angelegenheit bezahle, wäre ich wohl töricht, es nicht zu tun. Sie sagten, Sie hätten Neuigkeiten?«
»Das ist richtig.«
»Ich war überrascht, so früh von Ihnen zu hören«, gab sie zu. »Tatsächlich war ich überrascht, überhaupt wieder von Ihnen zu hören.«
»Warum? Was meinen Sie?«
»Nachdem ich so … überreagiert hatte. Ich war wohl allzu emotional.«
»Das ist nur schwerlich überraschend, wenn man bedenkt, was Sie alles erlebt haben. Ich hätte taktvoller sein müssen.«
»Ich mag Sie noch nicht sonderlich lange kennen, Mr. Quicksilver, doch ich weiß bereits, dass Sie ein heilloser Lügner sind.«
»Ist das so?« Ulysses schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln und Geneviève gab den Ausdruck auf seinem Gesicht exakt wieder, ebenso den durchdringenden Blick aus ihren braunen Augen, der den seinen traf.
»Sie sind ein Kämpfer für die Wahrheit. Und kein Zweifel, so schmerzhaft die Wahrheit auch sein mag, man soll ihrer gewahr werden und ihr ins Gesicht
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