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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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fühlte den rauen Hanfstrick grob über das Fleisch seiner Handgelenke scheuern. Ähnliche Qualen musste er auch an seinen Fußknöcheln erleiden. Während er gegen seine Fesseln ankämpfte, fuhr ein starker Schmerz durch seinen Kopf, der noch immer von den harten Schlägen herrührte, die er hatte einstecken müssen. Wasser spritzte in sein Gesicht und er prustete, um es nicht zu schlucken. Bildete er es sich nur ein oder stieg der Wasserpegel bereits an?
    Da er sich selbst nicht gerade als einen besonders gottesfürchtigen Mann bezeichnen würde, schien für Ulysses jetzt der perfekte Anlass gegeben zu sein, sein Verhältnis zum Allmächtigen zu verbessern, bevor sie sich tatsächlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würden. Mit fest geschlossenen Augen, Arme und Beine noch immer angespannt, betete er für ein Wunder.
     
     
    Langsam forderte der Kampf mit den Seilen seinen Tribut. Das Hämmern in seinem Kopf verschlimmerte sich, weiß-glühende Stiche zuckten schmerzhaft wie Blitze durch seine Muskelstränge. Mit knirschenden Zähnen heulte er vor Schmerzen auf; wütend, frustriert und absolut erschöpft. Öliges, dunkles Wasser strömte in seinen Mund. Ulysses hustete und würgte. Für einen Augenblick hörte er auf, an den Seilen zu zerren und hob den Kopf, die Muskeln in seinem Nacken bis zum Zerreißen gespannt, um ihn über der Wasseroberfläche zu halten. Er vernahm ein leises Platschen – kaum mehr als ein Rieseln – als etwas Geschmeidiges die Oberfläche durchzog.
    In dem kargen Licht der illuminierenden Moosflicken konnte Ulysses nicht erkennen, was genau sich ihm da näherte, umso besser jedoch konnte er es sich vor seinem geistigen Auge ausmalen. Sein sensibler sechster Sinn, der nun rabiat an der inneren Schädeldecke kratzte, schlug in seinem Unterbewusstsein kreischend Alarm.
    Etwas streifte sein Bein und Ulysses trat aus so gut er konnte. Plötzlich erhob sich direkt vor ihm eine Wand aus Wasser. Als sie abfloss, offenbarte sich ihm eine ungeschlachte, abscheuliche Form, ein dunkler Schatten, der in der beinahe undurchdringlichen Düsternis glänzte. Ulysses erkannte den Umriss breiter Schultern, leicht nach vorn gekrümmte, muskulöse Arme, dazu einen fassähnlichen Torso und einen breiten, krötenhaften Kopf, das Maul gespickt mit nadelscharfen Zähnen. Glatte Haut schimmerte dumpf. Eine Hand – die Finger eher saugnapfbewehrte Tentakeln statt Krallen – griff nach ihm und streiften sein Gesicht. Diese träge Bewegung ließ ihn vor Abscheu erschauern. Er fühlte, wie ein mit Flossen bewehrter Schwanz sein Bein berührte.
    Ein Teil von Ulysses’ Unterbewusstsein, kurzzeitig durch den Horror und die Verzweiflung der Situation abgekoppelt, erkannte, dass Professor Galapagos ihn zuletzt doch aufgestöbert hatte, und dass dieser seit ihrem Kampf in der Kanalisation erneut eine Wandlung vollzogen hatte. Der vermaledeite Biologe hatte sich diesmal in etwas Weichtierähnliches, Amphibisches, Molchartiges verwandelt. Ulysses war sich gewiss, dass er nun sterben würde und ergab sich seinem Schicksal.
    Wie auch immer, offenbar hatte Gott entschieden, dass es noch nicht die passende Zeit war, um den Dandy zu holen, stattdessen erschien nun das ersehnte Wunder.
    Ein Schuss hallte durch den gefluteten Tunnel. Die unwirkliche Akustik dieses Ortes verlieh dem Echo einen seltsamen und jenseitigen Klang. Schwerfällig wandte sich der Amphibien-Galapagos zu der unerwünschten Ablenkung um.
    Ein zweiter Schuss fiel. Die Kreatur heulte auf – ein groteskes jammerndes Zischen; die grausige Parodie einer menschlichen Stimme drang aus seinem Rachen – und mit einem Mal war die Untergrundstation von Lärm erfüllt, dem Platschen von Wasser, menschlichen Rufen und halbmenschlichem Gebrüll. Etwas materialisierte sich aus der Dunkelheit, durchpflügte springend das Wasser in Ulysses’ Richtung und jaulte dabei laut auf. Die fahle Haut des Neuankömmlings schimmerte in der Dunkelheit, strähniges Haar flatterte um seine Schultern. Er versuchte offensichtlich, die Amphibie davonjagen, und es schien beinahe, als würde das funktionieren.
    Die Amphibie schreckte zurück, zischte dabei verärgert und machte sich zum Gegenschlag bereit. Aber da war der Neandertaler bereits mit fliegenden Fäusten über ihr. Die krötengleiche Kreatur wehrte sich, doch schon bald erwies sich das frühentwickelte Menschenwesen als deutlich überlegen. Es gelang der Galapagos-Amphibie, sich aus dem Griff des Affenmenschen zu

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