Unnatural History
erschlaffte. Ulysses fühlte, wie seine Hand in dem widernatürlichen Fleisch einsank, als die Haut und alles andere weicher und weicher wurde. Er hatte das Gefühl, er würde seine Finger in einen Eimer voll kaltem Grießpudding stecken. Dann fiel Professor Galapagos’ Körper ganz einfach in sich zusammen, das Fleisch löste sich in Schleim auf. Ulysses blickte in die schauerlichen wässrigen Augen. Auch als diese Augen wie heißes Wachs zu schmelzen begannen, war er noch unfähig, sich von dem Anblick loszureißen.
In nur einem Moment war alles, was von dem degenerierten Professor geblieben war, verschwunden, und Fäden klebrigen protoplasmischen Schleims brodelten wie Froschlaich inmitten der brennenden Überbleibsel, die überall herumdümpelten. Professor Galapagos – oder den sich evolutionstechnisch zurückentwickelten Freak, zu dem er geworden war – gab es nicht mehr.
Kapitel 15
Über die Evolution und den modernen Mann
»Nun, Doktor«, Ulysses’ Stimme hallte durch die Lobby des Hauses, »wie geht es uns denn heute?«
Methuselah blinzelte ihn hinter den flaschenbodendicken Gläsern seiner Brille hervor an. Obwohl der Dandy-Abenteurer keine Mühen gescheut hatte, den gewohnheitsgemäß hohen Standard bezüglich seiner Bekleidung aufrecht zu erhalten, ähnelte er in seinem Gehrock aus blauem Samt, der moosgrünen Satinweste, der fliederfarbenen Krawatte und den schwarzen Hosen aus Moleskin, so gar nicht der Person, die ihn vor einem Monat besucht hatte. Er war ein gezeichneter Mann, müde und abgespannt, die Wangen hohl, die Augen eingesunken und von grauen Schatten umnebelt. Seine Haut wirkte wie mit Wachs überzogen.
»Besser als Ihnen, Ihrem Aussehen nach zu urteilen.«
Der alte Mann schlurfte durch den Flur auf den hinteren Teil des Hauses zu, der baufällig und heruntergekommen war. Ulysses folgte ihm. Nach seinem vorübergehenden Aufenthalt in den Abwässern konnte er gerade so den leichten Duft muffigen Tabakrauches ausmachen. Noch immer glaubte er, die Jauchegruben der Abwassertunnel riechen zu können.
Zwar mochte er wie der leibhaftige Tod in zweiter Auflage aussehen, doch immer noch besser, als sich auch wie der leibhaftige Tod in zweiter Auflage zu fühlen , was exakt seiner Gefühlslage der letzten Woche entsprochen hatte. Die Tage und ebenso die Nächte hatte er kotzend verbracht, alle paar Stunden musste er sich übergeben, und unerbittliche Sturzwellen von Durchfall hatten ihm arg zugesetzt. Von all den mentalen Schulungen zur physikalischen Heilung, die er in den Gipfeln des Himalaya erlernt hatte, half ihm auch nicht eine weiter, die qualvollen Martern der Verkrampfungen zu mildern, welche die Übelkeitsanfälle mit sich brachten. Damit nicht genug, hatte er beinahe ein halbes Dutzend Bäder genommen, seit er auf sein Anwesen zurückgekehrt war, und sich mit Industriereiniger abgeschrubbt, um den tiefsitzenden Gestank der Abwässer loszuwerden, doch sogar nach dieser Prozedur konnte er manchmal noch den bitteren Geschmack des verseuchten Wassers in seinem Hals schmecken.
An diesem Morgen jedoch hatte er es tatsächlich geschafft, aus dem Bett zu kommen. Und – nachdem er erneut seine peniblen Waschungen durchgeführt und sich todschick zurechtgemacht hatte – den Stock mit dem Blutstein im Griff in der Hand, war er aufgebrochen, um den griesgrämigen Doktor Methuselah mit einem unangekündigten Besuch zu erfreuen. Doch sogar für dieses simple Bestreben fühlte er sich noch zu schwach, obgleich er es nicht zugeben wollte, am allerwenigsten vor sich selbst.
»Genug des Geplänkels, welche Neuigkeiten haben Sie?«
»Ich nehme an, Sie meinen die Gewebeprobe.«
»Aber selbstredend.« Ulysses klopfte mit dem Ende seines Gehstocks ungeduldig gegen einen der überladenen Arbeitstische.
»Ein äußerst interessantes kleines Projekt, auf das Sie mich da angesetzt haben«, sagte Methuselah und schaltete seine Maschine an. Mit einem Summen erwachte die Bildschirmröhre zum Leben. »Sehen Sie sich das an.« Er deutete auf das körnige, grün-schwarze Bild, das sich auf dem Schirm fokussierte. Ulysses erblickte eine Petrischale, die bereits unter den Vergrößerungsgläsern von Methuselahs kupfernem Mikroskop stand. Bei der Abbildung auf dem Bildschirm handelte es sich offenbar um eine erheblich vergrößerte Darstellung des Inhalts dieser Schale. Bei seinem letzten Besuch war Ulysses immerhin fähig gewesen, den Umstand zu begreifen, dass er auf die Darstellung von Zellen
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