Unsanft entschlafen
Haken
dran sein, aber mit Lou Kestlers Mannschaft hatte ich
nicht gerechnet. Im Augenblick schien einiges für einen längeren Urlaub zu
sprechen.
4
Jean Vertaines Wohnung lag im zweiten Stock eines alten umgebauten Sandsteinhauses in
Greenwich Village . Ich war erst um Viertel nach acht
bei ihr und brauchte nur einmal auf den Klingelknopf zu drücken, als sie mir
auch schon öffnete.
Aus der Nähe betrachtet, war
sie noch aufregender als auf der Bühne. Sie trug ein dünnes schwarzes
Seidenhemd, das lose über eine knöchellange schwarze Seidenhose mit weißer
Spitzenstickerei herabfiel. Der kecke Schwung ihrer vollen Büste hatte jene
Aggressivität, die starke Männer schwach macht.
Ihr rotes Haar war
hochgebürstet und in weiche Wellen gelegt, die das zarte Oval ihres Gesichtes
betonten. Mit ihren rehbraunen wachen Augen und dem vollen sensiblen Mund war
sie eine hochbrisante Sexbombe, deren Explosivität in Kauf zu nehmen ein
Vergnügen sein mußte.
»Sind Sie Danny Boyd?« fragte
sie mit warmer dunkler Stimme.
»Der bin ich«, bestätigte ich,
»und Sie sind Jean Vertaine.«
»Mein Bruder Ian hat mir von
Ihnen erzählt«, sagte sie. »Im Theater habe ich nicht viel von Ihnen erkennen
können - Sie sehen sehr viel besser aus, als nach Ians Beschreibung zu vermuten
war.« Sie musterte mich einige Sekunden in kritischem Schweigen. »Vielleicht
sollte ich lieber die Spiegel verhängen, bevor ich Sie hereinbitte, damit Sie
mir zwischendurch auch mal einen Blick schenken.«
»Ich prüfe das Profil nur
einmal täglich, wegen der Falten«, erklärte ich ihr. »Und falls ich meine Augen
auch nur für eine Sekunde von Ihnen abwenden sollte, rufen Sie unverzüglich den
Arzt für eine Hormonspritze.«
»Ich glaube, ich könnte mich
bei näherer Bekanntschaft direkt an Sie gewöhnen, Danny«, sagte sie nachdenklich.
»Nach dem zweiten Whisky vielleicht.«
Ich folgte ihr in das
Wohnzimmer, dessen Einrichtung erbarmungswürdig war.
»Ich mache Ihnen erst mal einen
Drink«, sagte sie. »Ich nehme Bourbon mit Eis — und Sie?«
»Klingt gut«, erwiderte ich.
»Ist diese Couch auch zum Hinsetzen da?«
»Für alles, was Sie wollen«,
sagte sie. »Ich habe sie billig von einem Regisseur gekauft, der sie für
schrottreif hielt und so schnell wie möglich loswerden wollte, weil sie ihn so
sehr an seinen eigenen Zustand erinnerte.«
Obwohl ich mich äußerst
vorsichtig niederließ, brauchten die Sprungfedern einige Sekunden, um sich
wieder zu beruhigen. Jean brachte die Drinks und veranlaßte die Sprungfedern,
als sie sich neben mich setzte, zu weiterem Nachgeben.
»Ist Ian auch da?« erkundigte
ich mich.
»Soll das ein Witz sein?« Sie
preßte lächelnd ihren Oberschenkel gegen mich. »Wozu sollte ich meinen kleinen
Bruder einladen, wenn mich ein echter Privatdetektiv besucht?«
»Ich hatte schon befürchtet,
daß ich ihn erst wie dieser Regisseur, dieser Williams, in die Flucht schlagen
müßte«, sagte ich heiter. »Ich freue mich, daß wir gleiche Ansichten haben,
Jean, das spart viel Pionierarbeit.«
»Ich wäre da an Ihrer Stelle
nicht so sicher«, sagte sie kühl. »Sie könnten sonst eine herbe Enttäuschung
erleben... Jerome Williams ist übrigens so mit das Übelste, was es in dieser
Branche gibt.«
»Was hat er gegen Ian?«
»Nichts Besonderes«, erwiderte
sie bitter. »Ian ist sein Assistent. Das gibt Jerome die Sondererlaubnis, ihm
das Leben zu verleiden. Aber ich dachte, Sie wollen mit mir über Irene Mandell
sprechen. Sind Sie nicht auf der Suche nach ihr?«
»Ja«, sagte ich. »Aber niemand
will mir dabei helfen. Weder Williams noch ihr Agent Meekers. Sogar ihr
Ex-Freund sagt, er habe dieses Kapitel seines Lebens abgeschlossen. Es ist, als
sei sie ein Bazillus gewesen.«
»In gewisser Weise war sie das
vielleicht tatsächlich«, sagte Jean langsam. »Ich bin ihre beste Freundin
gewesen und habe sie doch nicht wirklich gekannt. Sie war ein merkwürdiges
Mädchen, Danny.«
»Sie hatte einen
Nervenzusammenbruch und verließ das Theater«, fuhr ich fort. »Doch keiner weiß,
was danach mit ihr geschehen ist — oder keiner verrät es.«
» The Dream Is Deadly «, flüsterte
Jean. »Ich hatte immer das Gefühl, als sei dieser Titel für Irene gemacht. Es
klingt so überspannt, aber Sie haben Irene nie kennengelernt. Die
Schwierigkeiten in ihrem Privatleben wurden ständig größer, dazu spielte sie
jeden Abend auf der Bühne diese wahnsinnige Frau. Irene war eine sehr
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