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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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war. »So was kann vorkommen.«
Ich schnalzte mit den Fingern.
    »Möchtest du noch einen
Whisky?« fragte sie.
    »Ich glaube, ich gehe jetzt
lieber«, antwortete ich und stand auf. »Vielen Dank, Jean, du hast mir sehr
geholfen.«
    »Glaubst du, daß du sie finden
wirst?« fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte ich
müde. »Vielleicht ist sie schon seit zwei Jahren tot, und ich entdecke
bestenfalls ihren Grabstein.«
    Ich ging mit dem deprimierenden
Gefühl zur Tür, abgeblitzt zu sein. Sogar das Profil war so in Mitleidenschaft
gezogen, daß ich ein nervöses Zucken des linken Augenlides nicht verhindern
konnte.
    »Danny?« sagte Jean leise, als
ich die Hand auf die Klinke legen wollte. »Es tut mir wirklich schrecklich
leid. Ich verspreche, daß so etwas nicht zur Gewohnheit wird. Rufst du mich
an?«
    Ich gab mir einen Ruck und
setzte, bevor ich mich umdrehte, ein strahlendes Lächeln auf. »Natürlich rufe
ich dich an.«
    »Eigentlich war ich ganz auf
eine romantische Liebesnacht eingestellt«, sagte sie bedauernd, »und jetzt
sitze ich kurz vor zehn allein zu Hause und heule einsam vor mich hin.«
    »Das nächstemal holen wir alles nach«, sagte ich mit mehr Überzeugung, als ich wirklich
empfand.
    Da ich sowieso schon an der Tür
stand, öffnete ich sie und ging schnell hinaus. Mir fiel nicht einmal mehr eine
Pointe für einen guten Abgang ein. Das sind so die Kleinigkeiten, die einem das
Leben vergällen — Männer, die einem die Pistole auf die Brust setzen, und
Damen, die einem einen Korb geben. Um mich zu trösten, zählte ich die Damen
auf, die mich nicht abgewiesen hatten. Als ich zu Hause ankam, zählte ich noch
immer. Das hob meine Laune, sogar das nervöse Augenzucken hatte aufgehört.
    Ich stellte den Wagen ab und
sah auf die Uhr. Es war Viertel nach zehn. Wenn Jenny Shaw pünktlich gekommen
war, konnte sie noch nicht lange warten.
    Ich schloß die Tür mit meinem
Reserveschlüssel auf, fand die Wohnung jedoch in völliger Dunkelheit vor. Jenny
mußte sich verspätet haben. Hoffentlich kam sie überhaupt noch. Dann knipste
ich das Licht an, ging ins Wohnzimmer — und entdeckte, daß Jenny doch
rechtzeitig dagewesen war.
    Sie lag auf dem Teppich
ausgestreckt, die angstgeweiteten Augen blicklos zur Decke gerichtet. Ihr
leichter Mantel hing achtlos über der Couch, die Brustpartie ihres
Leinenkleides war blutdurchtränkt. Überall war Blut. Rote Fingerabdrücke
bedeckten den weißen Lederbezug der Couch, und große glänzende Tropfen hatten
bis zu der Stelle, wo sie in einer sich langsam ausweitenden Blutlache lag,
eine Spur auf dem Teppich hinterlassen.
    Ich kniete neben ihr nieder und
sah, daß ihr Kleid von Einschüssen durchlöchert war — ich zählte vier, aber
möglicherweise lagen noch mehr unter dem blutigen Stoff. Als ich ihren Arm
berührte, spürte ich, daß ihre Temperatur fast normal war. Sie konnte noch
nicht lange tot sein, höchstens eine Viertelstunde.
    Auf dem Fußboden am Couchende
lag ihre offene Handtasche, der Inhalt war ringsherum verstreut, die üblichen
Utensilien, ohne die eine Frau nicht auszukommen meint, ein rührendes
Sammelsurium: Lippenstift, Puderdose, Kamm, Geldscheintasche, ein paar Münzen,
Sozialversicherungskarte, Taschentuch, ein Päckchen Zigaretten und mein
Wohnungsschlüssel.
    Ich steckte mir bedächtig eine
Zigarette an und rief mir ins Gedächtnis, daß ich schon vor einigen Stunden an
Hurlingfords uneigennütziger Großzügigkeit gezweifelt hatte. Der Besuch von
Mannie Karsh war der Beweis dafür. Vielleicht hatte vor zwei Jahren, als Irene
Mandell verschwand, alles mit einer Gewalttat seinen Anfang genommen. Und jetzt
steckte ich meine Nase in eine Angelegenheit, über die inzwischen Gras
gewachsen war, und provozierte neue Gewalt.
    Ich neige nicht zu
Gefühlsduselei. Mir ist seit jeher das Klingeln einer Registrierkasse
melodischer gewesen als das Läuten von Weihnachtsglocken, selbst am Heiligen
Abend. Aber der Anblick von Jenny Shaws hingeschlachtetem Körper ging mir an
die Nieren. Jemand, der auf solche Art und Weise mordete, war ein sadistischer
Irrer, der einer schnellen und dauerhaften Behandlung bedurfte. Vielleicht
gelang es mir mit einigem Glück und einer .38er Masterpiece oder auch mit einer
.357er Magnum, diese Behandlung durchzuführen. Die Wahl der Waffe sollte dabei
meine geringste Sorge sein.
     
     
     

5
     
    Bis auf den Leutnant waren die
Sachverständigen in meinem Wohnzimmer fertig. Die Leiche hatten sie samt
Handtasche und

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