Unscheinbar
sie hineingeplatzt war. Sie entdeckte Emma, die einen verstörten Eindruck machte.
Ben war undurchschaubar und schweigsam wie immer.
Interessant.
Maras Blick wanderte vom einen zur anderen und zurück. Aber sie behielt ihre Gedanken für sich.
Sie hatte Emma gewarnt. Früher oder später verfiel ihm jede.
Nur nicht umgekehrt.
Nach der Spannung im Raum zu urteilen, lag der Fall diesmal aber anders.
Mara lächelte in sich hinein.
„Wo warst du eigentlich?“
Als hätte man sie ertappt, schoss Maras Kopf schuldbewusst hoch. „Wie bitte?“
„Wo du warst? Als ich kam, war die Bar verwaist, bis auf Emma.“
„Ah, ja. Emma kam rein, da klingelte das Telefon. Hinten auf dem Parkplatz ist ein Lieferwagen in mein Auto gekracht. Emma erklärte, sie würde kurz auf die Bar aufpassen, also düste ich los.“
„Ein Lieferwagen?“, fragte Ben misstrauisch.
„Ja. Toni hat scheinbar die Handbremse nicht angezogen.“ Mara zuckte mit den Schultern. „Toni war jedenfalls schon da. Wir haben‘s auf die übliche Weise geklärt.“
„Walter holt dein Auto?“
„Nein. Hab’s ihm kurzerhand gebracht. Toni hat mich dann zurück gefahren. Seiner Karosse hat’s natürlich nichts gemacht. Meine ist hinten total verbeult.“
„Und wer hat dich angerufen?“
„Toni“, Mara dachte kurz darüber nach, „nehme ich an.“
„Du nimmst es an?“ Ben stand hinter der Bar, öffnete den Karton und füllte die Flaschen in den Kühlschrank. Ganz selbstverständlich.
„Er hat zwar keinen Namen genannt, aber da es Tonis Auto war und er schon da war …“
„…nimmst du an, dass auch er es war, der dich angerufen hat. Er kennt dein Auto schliesslich.“
„Genau.“
Diese Erklärung stellte Ben nicht zufrieden. Aber das behielt er für sich. „Emma? Alles klar bei dir?“
„Ja, klar.“ Mittlerweile glaubte sie sich wieder im Griff zu haben.
„Gut. Du bist mir noch eine Erklärung schuldig.“
Verdutzt sah sie ihn an. Jetzt? Hier? Sofort trommelte ihr Herz wieder wie wild. „Eine Erklärung?“
„Hast du in Scheinwerfer gesehen?“ Mara konnte ihr Lächeln nicht unterdrücken. „Du kuckst wie ein verschrecktes Reh.“
Emma schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen. Sie räusperte sich. „Eine Erklärung?“, fragte sie noch einmal.
„Ja. Das Muster, das du zu erkennen glaubst. Weisst du noch?“
„Oh! Sicher.“ Sie sah sich unschlüssig um. Vor Mara?
„Sehr schön. Dann los.“ Ben drückte Mara die letzte Weissweinflasche in die Hand und ging an ihr vorbei. Er schob Emma vor sich her, schnappte sich die Jacke vom Geländer, hob die Hand zum Gruss und draussen waren sie.
„Okay. Schiess los.“ Erwartungsvoll sah Ben Emma an.
„Im Zug sass eine alte Dame, die ihrer Enkelin ein paar Geschichten erzählte. Dabei erwähnte sie etwas, das mich auf eine Idee brachte.“
„Und was?“
„Die Frau erklärte, dass man früher Löcher in Balken bohrte, rastlose Geister darin einsperrte und das Loch mit einem Zapfen verschloss. Klingelt’s da bei dir?“
Ben dachte nach. Auf einmal stutzte er. „Warte. Auf einem der Fotos in den Akten, war da nicht ein Balken abgebildet gewesen? Und…“, er stockte, „…das habe ich ja völlig vergessen!“
„Was?“ Emma musterte Ben. „Was ist?“
„Dein Auto. Walter und ich nahmen es unter die Lupe, um die Unfallursache zu suchen, erinnerst du dich?“
Emma nickte.
„Wir fanden ein massives Stück Holz im Fussraum der Beifahrerseite. Im Holz befand sich ein sauber ausgefrästes Loch. Wir wunderten uns zwar, beachteten es aber nicht weiter.“
Betroffen schnappte Emma nach Luft. Ein Stück Holz? Etwa der Klotz, den sie neben ihrem Auto gesehen hatte, als sie es in Walters Garage verabschieden wollte? Der lag in ihrem Auto? „Ben, ich fahre keine durchlöcherten Hölzer mit mir herum.“
„Das weiss ich jetzt auch.“ Ben legte die Hände auf Emmas Schultern. „Emma, sag mir bitte, du hast eine Ahnung, was das zu bedeuten hat.“
Nachdenklich sah Emma an Ben vorbei. „Symbole. Er hinterlässt Symbole am Tatort“, flüsterte sie mehr zu sich selbst. Dann sah sie ihn wieder. „Sagen.“
„Sagen? Du meinst im Sinn von Geschichten und Erzählungen?“ Ben liess die Hände sinken.
„Genau. Sie könnten der Schlüssel sein.“
Er dachte kurz darüber nach. „In Ordnung. Das heisst, wir bräuchten ein vernünftiges Sagenbuch und Internet.“
„Der alte Pfarrer kann uns vielleicht auch behilflich sein, wenn er denn schon zurück ist. Er
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