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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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fragen!“, versuchte sie es erneut.
    Meinte sie das nur oder hatte der Mann gerade den Kopf eingezogen und den Schritt beschleunigt?
    „Jetzt bleiben sie doch einen Augenblick stehen! Ich will Ihnen nichts tun!“
    Klang nicht besonders vertrauenserweckend. Vor allem, wenn man bedachte, dass sie ihn seit geraumer Zeit verfolgte. Und das auch noch, nachdem es weit und breit keinen anderen Menschen mehr gab.
    Sie selbst würde in einer solchen Situation ebenfalls die Flucht vorziehen.
    Da wurde ihr bewusst, was sie soeben gedacht hatte.
    Ganz alleine. Im Wald. Der Weg galt zwar als Wanderweg, aber es war bei weitem nicht der einzige. Dort, wo sie den Pfad betreten hatte, hatte sie auf einer Kreuzung gestanden. Eine Kreuzung von der aus mindestens noch zwei Wege abzweigten. Wenn ihr hier etwas zustiess, würde sie gefunden. Aber wann?
    Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
    Was nun?
    Zurückgehen.
    Der Entschluss stand. Aber nicht fest genug. Sie zögerte. Noch einmal hielt sie Ausschau nach dem Mann. Sie konnte ihn nirgends mehr entdecken. Weit konnte er nicht gekommen sein und wenn nicht irgendwo noch ein anderer Wanderweg von diesem hier abging, würde er auch noch auf diesem Pfad sein. Aber war es das Risiko wert?
    Ja. Wenn sie nicht einem Phantom hinterherjagte. Dessen konnte sie sich aber nie sicher sein, wenn sie jetzt abbrach.
    Emma ging weiter. Entgegen aller Vernunft. Sie hatte Angst, aber sie musste es wissen.
    Unsicher rief sie noch einmal in den Wald. „Hallo?“
    Natürlich kam keine Antwort.
    Sie setzte ihren Weg fort, bis es nicht mehr ging. Vor ihr lag ein Gesteinsbrocken und versperrte den Weg.
    Ende der Fahnenstange. Nur, wo ist dann der Mann hin? Er hatte sich kaum in Luft aufgelöst.
    Emma sah sich um. Man konnte den Fels umrunden. Das hatten der flach getrampelten Erde nach zu urteilen auch schon einige getan. Dann dürfte es ja kein Problem sein. Vorsichtig setzte Emma einen Fuss vor den anderen. Es glich einem artistischen Akt, den Fels zu umgehen. Sie stellte sich seitlich zum Weg, bog ihren Oberkörper leicht nach hinten und versuchte das Gleichgewicht zu halten. Hinter ihr ging es steil abwärts. Die Bäume boten einigermassen Halt, dennoch war sie froh, den Blick nicht bergab sondern bergan gerichtet zu haben.
    Sie erreichte die andere Seite unbeschadet.
    Und wurde auch schon erwartet.
    Hocherfreut setzte sie einen Fuss zurück auf den Weg. Den anderen zog sie nach. In dieser Zeit sah sie hinunter und triumphierte innerlich über den Erfolg.
    Dann richtete sie den Blick zurück auf den Weg. Gleichzeitig nahm sie die Hände vom Felsen, der ihr Halt geboten hatte.
    In diesem Augenblick preschte er hervor.
    Er hatte verborgen in einer schmalen Nische zwischen Felsbrocken und Felswand gekauert. Und gewartet.
    Er schoss aus seinem Versteck, rammte Emma mit der Schulter.
    Sie taumelte.
    Bevor sie begriff, was soeben geschah, verlor sie das Gleichgewicht. Der Pfad bot zu wenig Platz, um sich wieder zu fangen.
    Hilflos stürzte Emma den Abhang hinunter.
     

Strang 1 / Kapitel 33
     
    Ja, ja, das bekannte Spiel. Er war die Gämse, sie der Jäger. '...Und er verstieg sich dermassen, dass er nicht vor und nicht mehr zurück konnte. Dem Tod geweiht, stürzte er schliesslich ab, verfolgt vom unheimlichen Flüstern der weissen Gämse... '
    Die Geschichte geisterte in seinem Kopf umher, als würden leise Stimmen sie ihm erzählen. Er stand oben auf dem Weg und sah auf sie herab. Jedoch wagte er nicht, ihr lange nachzusehen. Das war zu unsicher. Man konnte nie wissen, wer den Schrei gehört hatte und wie nah dieser Jemand war. Er gönnte sich nur einen kurzen Augenblick. Diesen Moment kostete er aber voll aus. Er rief sich zurück ins Gedächtnis, wie sie blöd geglotzt hatte, als er zwischen den Touristen auftauchte. Er hatte sich gut gekleidet. Sie sprang beinahe sofort darauf an. Und wie sie ihn verfolgt hatte. Einsame Spitze. Wie ein Hündchen hatte er sie hierher locken können. Und das, obwohl sie tags zuvor seinetwegen noch schwimmen gegangen war.
    Wie unvorsichtig. Wie dumm.
    Wie amüsant.
    Dann sein kleines Versteck. Er hatte es nicht einmal selbst basteln müssen. Es war einfach da gewesen. Als hätte ihm eine höhere Macht zugespielt. Als wollte man ihm damit etwas sagen.
    Du bist auf dem richtigen Weg. Die einzige Botschaft, die diese göttliche Fügung beinhalten konnte.
    Obwohl er diese Nachricht nicht benötigte. Er wusste, was er tat, war das einzig Richtige.
    Wie sich ihre Augen weiteten, als

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